Schüler machen in der Bonner Oper "Fidelio" zum Tanzdrama

Nach dem Vorbild von "Rhythm is it" stehen die Laientänzer bereits mit ihrem zweiten Projekt auf der Bühne

Schüler machen in der Bonner Oper "Fidelio" zum Tanzdrama
Foto: Horst Müller

Bonn. Fünfzehn Mädchen hocken auf der Bonner Opernbühne. Alle tragen rot. Rote Röcke, rote T-Shirts. Als die Musik einsetzt, erheben sie sich, recken Fäuste in die Luft - eine Geste des wütenden Protests.

So marschiert die kleine Gruppe über die große Bühne langsam auf ein imaginäres Gefängnis zu. In den vordersten Zuschauerreihen sitzen Beobachter dieser Probenszene: ungefähr 20 Jungen im Teenie-Alter. "Macht eure Eltern stolz", ruft einer neckend in Richtung Bühne. Lautes Gekicher ist die Antwort.

Ein Hauch von Flirt liegt in der Luft. Flirten, verliebt sein: Die ersten zarten Gefühle kennt man im Alter zwischen 11 und 15 Jahren bereits. Doch die Liebe im Superlativ, von der Beethovens Oper "Fidelio" handelt, haben die insgesamt 100 Schüler aus vier Bonner Schulen sicherlich noch nicht erlebt - auch wenn sie auf der Opernbühne eifrig proben, um diese Liebe überzeugend zu verkörpern.

Die Schüler sind Teilnehmer eines Schultanzprojekts, das vor zwei Jahren ins Leben gerufen wurde. Diese Bonner Aktion entstand damals nach dem Vorbild des Dokumentarfilms "Rhythm is it", in dem die Berliner Philharmoniker und ihr Dirigent Simon Rattle gemeinsam mit dem britischen Tanzpädagogen Royston Maldoom und 250 jungen Berliner Laientänzern eine spektakuläre Aufführung von Igor Strawinskys "Le sacre du printemps" realisieren.

Die alte Hauptstadt zog im Sommer 2007 nach: Mehr als hundert Bonner Schüler tanzten zu Carl Orffs "Carmina Burana" - eine farbenfrohe und hochprofessionelle Inszenierung. "Fidelio" ist nun das zweite Projekt, das der Bonner Rechtsanwalt Michael Raetsch, Gründer des Vereins für Schulentwicklung und Kultur "Salta" initiiert hat. Bei der Premiere am Samstag werden die Schüler gemeinsam mit dem Beethoven Orchester und professionellen Gesangssolisten auf der Bühne agieren.

Als Raetsch über das Konzept für die ungewöhnliche Idee einer Tanz-Inszenierung der Beethovenschen Oper grübelte, in der die unerschrockene Heldin Leonore ihren Gatten Florestan aus dem Kerker befreit, kam ihm eine historische Parallele in den Sinn: Er erinnerte sich an einen legendären weiblichen Aufstand gegen die Nationalsozialisten im Jahr 1943, als eine Gruppe von Frauen in Berlin für die Freilassung ihrer inhaftierten jüdischen Ehemänner protestierte.

Eine lebensgefährlicher, aber am Ende erfolgreiche Aktion. "Unsere Aufführung ist eine Hommage an die starken Frauen, die zunehmend unsere Welt gestalten", sagt der Regisseur und Tanzpädagoge Miguel Angel Zermeño. Er fügt schmunzelnd hinzu: "Die Zeit des Patriarchismus ist vorbei."

"Meine Schüler sind seit dem Beginn der Proben sehr viel selbstsicherer geworden. Und niemand lacht Schwächere aus", sagt Constanze Buyer, Lehrerin der Klasse 8.4 der Bertolt-Brecht-Gesamtschule. Die Jungen haben ihrer Meinung nach die größte Veränderung durchgemacht. Axel Detmer (15) bestätigt das: "Erst hatte ich gar keine Lust auf Tanzen".

Mittlerweile machen die Proben dem Schüler der Realschule Hardtberg aber "richtig Spaß". Bevor er in Richtung Umkleidekabine trottet, sagt Axel dann noch diesen Satz: "Klassische Musik ist zwar gar nicht mein Geschmack - aber ich kann sie immer besser aushalten."

Termine: Samstag, 30. Mai, 18 Uhr, Mittwoch, 17. Juni, 19.30 Uhr.

Spenden an: salta e.V. VR-Bank Bonn e.G., BLZ 381 602 20, Kto-Nr. 65 02 29 60 17. Infos: www.saltabonn.de.

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