Premiere der GOP-Show „Handmade“ Schweizer Präzisionsarbeit
Bonn · So etwas hat man in Bonn noch nicht gesehen: In der neuen GOP-Show „Handmade“ begeistert vor allem das Duo E1NZ.
Boa – so was habe ich noch nie gesehen“: Diese Reaktion erwartet Rick van Nöten bei der Bonn-Premiere von „Handmade“ vom Publikum, und zwar mehr als einmal. Wie sollte es auch anders sein. Natürlich ist der Musik-Comedian und Moderator der Show von selbiger überzeugt, zumal er zusammen mit seinem bieder-verpeilten „Lonely HusBand“-Kompagnon Ferdinand Fachblatt selbst einen nicht unwesentlichen Teil des Programms gestaltet. Superlative und Anpreisungen gehören somit automatisch zum Vokabular, schon aus Eigeninteresse. Doch hat van Nöten tatsächlich Recht mit seiner Aussage – vor allem dann, wenn es um ein Schweizer Duo geht, das Artistik grundsätzlich etwas anders denkt.
„Handmade“ setzt im Grunde den Ansatz der Vorgänger-Show „Neo“ fort, bekannte Kunstformen mit einem innovativen Impuls zu versehen. Mitunter reicht dafür ein Richtungswechsel, so wie bei Andreas Jordan, der seine Flummi-Ringe nicht nur nach oben, sondern auch nach unten jongliert und damit zum legendären Zirkus-Festival „Cirque de Demain“ nach Paris eingeladen wurde – eine Ehre, die nur den Besten vorbehalten ist. Dabei dürfte nicht nur die Technik, sondern auch die Präsentation im Stil der 20er-Jahre ausschlaggebend gewesen sein, die im GOP hervorragend ankommt.
Gleiches gilt für die Handstand- und Vertikaltuchnummern von Veronica Fontanella, die Andreas Jordan übrigens noch von der Staatlichen Artistenschule Berlin kennt (so klein ist die Welt), oder für die herrlich poetische Cyr-Darbietung von Fenja Barteldres, und auch die traditionelle, aber unglaublich intensive Hochleistunges-Partnerakrobaik des ukrainischen Duos Prime ist atemberaubend.
Doch erst das Duo E1NZ zeigt, wie man wirklich über die Grenzen des Etablierten hinausgehen kann. Die beiden Schweizer Esther und Jonas Slanzi sind einfach anders, eigenwillig, skurril und auch ein bisschen verrückt. Ob sie nun bei einer Diabolo-Aufführung den sonst üblichen Doppelkegel zwischenzeitlich durch einen Menschen ersetzen, ein Dutzend Glasflaschen über einen schräg aufgebockten Tisch schubsen und daraus eine ganz besondere Form der Choreographie entwickeln oder ob sie mit einer Art Seilzug statt mit einem fest installierten Vertikalseil arbeiten und sich so gegenseitig mit ihrem Eigengewicht unter die Hallendecke befördern, stets gehen Begeisterung und Verblüffung Hand in Hand. So etwas hat man in Bonn definitiv noch nie gesehen.
Dieser besonderen Art der Artistik hat Regisseur Knut Gminder den Soundtrack der Lonely HusBand gegenübergestellt. Das Duo, das mit seiner Komik wie so oft bei GOP-Shows ein bisschen mehr Raum ennimmt als nötig, hat die Musik für die einzelnen Nummern selbst geschrieben und zum Teil aufgenommen, sofern es nicht ohnehin live spielt – was mit einer optimierten Aussteuerung von Mikrofonen und Instrumenten sicherlich noch einmal mehr begeistern dürfte als bei der Premiere und auf jeden Fall besser klingt als erwartet, zumal die beiden ihre Formation mit Ensemble-Mitgliedern aufstocken.
Andreas Jordan erweist sich so als veritabler Schlagzeuger, die Slanzis als Multiinstrumentalisten, sodass Fachblatt, der kreative Kopf hinter der Musik, beruhigt am Mini-Flügel bleiben oder auch mal zusammen mit dem narzisstischen Rick van Nöten zur Country-Gitarre greifen kann. Zugegeben, letzteres ist nicht sonderlich innovativ. Aber handgemacht. Was in diesem Moment auch reicht.