Im Porträt: Die Band Wibbelstetz Seit 1984 mit Eifelrock in Mundart auf Tour

Rheinbach · Seit 1984 ist Gründer, Komponist und Frontmann Günter Hochgürtel mit den Wibbelstetz auf Tour durch Kneipen und Säle im Viereck Aachen-Bonn-Köln-Trier. Die Band aus Mechernich erzählt Geschichten in Mundart und hat damit bislang 15 Alben gefüllt.

 Die Band vor Günter Hochguertels ehemaligem Wohnort Holzheim bei Mechernich

Die Band vor Günter Hochguertels ehemaligem Wohnort Holzheim bei Mechernich

Foto: Frank Wagener

Der Junge ist zehn, elf Jahre alt, als eines Tages ein Haufen bunter Wagen über die Hauptstraße seines Eifeldorfes rumpelt und auf dem Marktplatz Halt macht. Im Handumdrehen wird das Zelt aufgeschlagen. Als dann der Direktor im schwarzen Frack in die Manege tritt, ist es endgültig um den Kleinen geschehen. Jeden Tag nach der Schule läuft er mit seinen Freunden zur Manege, füttert die Pferde und den Bär, lässt sich von Clowns und Jongleuren die besten Tricks vorführen. Und träumt davon, ein Akrobat zu sein. Er packt sein Spielzeug und 'was zum Anziehen in einen Koffer und läuft damit zum Markt. Doch kein Zirkus mehr weit und breit ...

So klingt die Geschichte in Hochdeutsch, schon mal nicht übel. Aber feuchte Augen macht das Ganze erst im Eifeler Platt – so wie die Leute in dem Dorf reden, das der Junge so gern hinter sich gelassen hätte: „Un ich saht: Nempt mich möt, nur e kleenes Stöck. Ich kann Seelche sprönge, Jummitwist, Flicflac und Spajat. Nempt mich möt op die Rees, denn ich wär et leevs, statt iewisch in de Schöl zo john, ne Zirkusakrobat.“

So ging es wohl auch Tommy Engel von den Bläck Fööss, als er das Lied zum ersten Mal hörte. 1991 veröffentlichte die Band den Titel „Nempt mich möt“ auf ihrem Album „Nix es ömesöns“. „Darauf sind wir auch ein bisschen stolz“, sagt Günter Hochgürtel (59), Gründer, Komponist und Frontmann von Wibbelstetz, der Text und Musik geschrieben hat. Die Verbindung zu den Fööss reichte seinerzeit schon länger zurück – bis in die Pioniertage der Eifelrock-Band.

Am 31. März 1984 stellte sich Hochgürtel erstmals öffentlich als Wibbelstetz vor: was im Eifeler Platt so viel bedeutet wie „Wackelschwanz“ – der Ausdruck für ein unruhiges Kind, also ein Zappelphilipp. In der Aula des Schulzentrums in Mechernich sang er zwei eigene Stücke und ein traditionelles Lied. Und erweiterte das Ein-Mann-Unternehmen ein paar Monate später zum Mundart-Duo, als er mit dem Akkordeonisten Linus Krämer auftrat.

1985 hatten die beiden erste Engagements. Und das Repertoire wuchs stetig, musste aber damals noch durch Friedenslieder von Hannes Wader oder eben mit Material der Kölner Kollegen aufgestockt werden. 1986 stieß Bassist Mario Derichs dazu. Und 1989 wurde mit Jürgen Schröder (Schlagzeug) und Werner Dederichs (Gitarrist und Gesang) aus Wibbelstetz ein Quintett. Durch den Kontakt mit Bläck-Fööss-Bassist Hartmut Priess entstand die Single „Börjemeeste Nieres“, mit der Rückseite „Nempt mich möt“.

Ein Jahr später nahmen Wibbelstetz im Kölner Studio der „Fööss“ das Album „Höngerm Bröddezong“ auf: produziert von Joko Jaenisch, dem ehemaligen Keyboarder der Band. Die Plattenfirma Bellaphon in Frankfurt (Credence Clearwater Revival) übernahm den Vertrieb.

Das Album verkaufte sich mehr als 7000 Mal und gilt bis heute als musikalischer Meilenstein in der Bandgeschichte. 1992 spielte Wibbelstetz im selben Studio die „Hausmusik“ ein. Das Titelstück zählt zu den Klassikern im Repertoire. Inzwischen hatte sich in der Domstadt offenbar herumgesprochen, dass die Jungs aus Mechernich 'was können: 1994 gaben sie mit De Höhner ein Konzert in Engelgau in Nettersheim. Auf zwei Studio-Alben der Höhner („1,2,3“ und „Viva Colonia“) finden sich außerdem insgesamt drei Texte aus der Feder von Günter Hochgürtel, so zum Beispiel das Stück „Sie greift nach den Sternen“.

Und wie soll man nun jemandem aus Hamburg, Berlin oder München, für den Eifeler Platt und Kölsch zum Verwechseln ähnlich klingen, erklären, wodurch Wibbelstetz sich von den genannten Mundart-Gruppen absetzt? „Zuerst einmal: Wir sind nicht karnevalskompatibel. Das ist nicht unser Ding“, sagt Hochgürtel beim Interview in einem Irish Pub in Rheinbach. „Aber der Unterschied liegt vor allem in den Texten. Wir erzählen Geschichten.“ Mal komisch, mal boshaft, gelegentlich sogar sentimental: Geschichten vom klüngelnden Bürgermeister, von feuchtfröhlichen Begräbnissen, von Himbeermarmelade mit Schuss und genanten Eifeler Mädchen.

Die Eifelrocker nehmen ihren Status als „Hinterwäldler“ mit einem guten Schuss Selbstironie. „Die Betonung liegt im Text, nicht im Refrain“ fügt Hochgürtel hinzu. „Mitsingen tun die Leute bei uns aber auch, und nicht zu knapp.“

Wie in (fast) jeder Band gab es im Laufe der Zeit ein paar Umbesetzungen. Seit 15 Jahren spielen Günter Hochgürtel (Gesang, Gitarre), Linus Krämer (Akkordeon), Jürgen Schröder (Schlagzeug), Georg Zwingmann (Bass) und Michael Metzele (Gitarre) in der heutigen Besetzung. Zu den ehemaligen Wibbelstetz gehören Rolf Krüger (Gitarre, 1996 bis 1997); Werner Dederichs (Gitarre, Gesang, 1989 bis 1996) und Mario Derichs (Bass, Gesang, Trompete, 1986 bis 2001).

Der Musikstil lässt sich wohl am treffendsten mit dem Begriff „Americana“ umschreiben; Folk, Rhythm & Blues und Country. Eine ziemlich Bandbreite also. Kein Wunder bei fünf Mann mit eigenen Vorlieben und Idolen. Das sind, wenn man Linus Krämer fragt, „zum Beispiel BAP und Westernhagen“. Jürgen Schröder wollte es Deep Purple, Iron Maiden und Judas Priest gleichtun. „So habe ich mir das Schlagzeugspielen selbst beigebracht. Erst mal in der Luft, dann habe ich mir für tausend Mark eines gekauft.“

Und der Chef? Tritt als Eifel-Troubadour solo auf, um neben eigenen Liedern in Hochdeutsch, nebst Stücken von Bert Brecht, Hannes Wader und Stefan Sulke oder englischen Titeln von Neil Young, James Taylor und Bob Dylan am liebsten Chansons zu singen: „von den ganz Großen wie Jacques Brel, Georges Moustaki und Gilbert Becaud“. 2013 veröffentlichte Hochgürtel das Album „Mon âme francaise – Meine französische Seele“. Am 4. März ist er mit seinem neuen Programm „Und doch muss ich weiterziehn“ zu Gast im Köllenhof in Wachtberg-Ließem.

Die Zahl der Auftritte pro Jahr ist bei Wibbelstetz allein aus beruflichen Gründen begrenzt. „Wir sind ja keine Profiband“, erklärt Linus Krämer. „Wir haben alle unsere bürgerlichen Berufe: als Bank- und Speditionskaufmann, als Maschinenbauingenieur und Journalist. Wir machen unseren normalen Job 40 bis 50 Stunden pro Woche. Mike zum Beispiel arbeitet in Gummersbach und fährt eineinhalb Stunden zu unseren Proben“.

Und Wibbelstetz-Musiker pflegen ihre Familienbande. Linus Krämer und Jürgen Schröder sind Schwager, der Akkordeonist hat den Mann seiner Schwägerin im Frühjahr 1989 in die Band geholt. Die Frage nach dem Alter beantwortet der Drummer diplomatisch, mit Augenwinkern: „Der jüngste von uns ist 41, der älteste 59. Also, wenn Sie es genau wissen wollen, ist jeder von uns im Schnitt 49,6 Jahre alt.“ Und das Publikum ist mit Wibbelstetz durch die Jahre gegangen; inklusive Ausreißern nach oben und unten.

Die Bilanz bislang umfasst 15 CDs und mehr als 1500 Konzerte; vor allem dort, wo man Eifeler Dialekt spricht oder ihm zumindest folgen kann. Für Wibbelstetz ist das Rheinfränkisch. „Und kein Kölsch“, wie Hochgürtel klarstellt: „Wer kein Platt spricht, wird diese Unterschiede nicht hören – zumal die auch von Dorf zu Dorf in einzelnen Lauten variieren.“ Soweit alles klar?

„Leider muss man aber sagen, dass die Mundart – verglichen mit dem Hype in den 1990er Jahren – an Bedeutung verloren hat und noch weiter verliert.“ Dem will die Band entgegengehen, indem sie ab und an mit Grundschulkindern Stücke in der typischen Mundart ihrer Heimat einstudiert.

„Wir haben in den 30 Jahren praktisch schon an jeder Milchkanne gespielt“, blickt Hochgürtel zurück. Man könnte ebenso sagen, Wibbelstetz hat die Eifeler Mundart salonfähig gemacht. Auch über Radio und Fernsehen. Und obwohl die Reichweite sich eigentlich auf die Eifel, die Zülpicher Börde oder auch das Rheinland konzentriert, treten Hochgürtel und seine Jungs gelegentlich sogar in Belgien und Frankreich auf.

Die weiteste Reise allerdings führte die Band im Jahr 2003 bis in die USA. Dort spielt Wibbelstetz auf Einladung des Freilichtmuseums Kommern beim German Heritage Festival in Kutztown/Pennsylvania. „Nirgendwo auf dem Planeten sind wir so gefeiert worden wie bei den Amis“, erinnert sich Schröder. 2006 revanchierte sich Hochgürtel in Kommern mit dem Titellied zur Ausstellung „Wir Rheinländer“.

Soll heißen: Man kann in der Eifel leben und trotzdem in der Welt herumkommen. So gesehen ist der Wunsch des Jungen dann doch noch in Erfüllung gegangen – wenn auch vielleicht nicht beim Zirkus.

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