Berliner Landesvertretung in Remagen Sieben Künstler leisten mit ihrer Ausstellung einen Beitrag zur Inklusion

REMAGEN · Gekippte Stufen, ein Ausleger in luftiger Höhe und ein steil aufsteigender Quader - würde diese Konstruktion als Zugang zu öffentlichen Einrichtungen, Ämtern, Museen, Bahnsteigen angeboten, gäbe es einen Aufschrei. Aber vergleichbare Hürden begegnen behinderten Menschen ständig, etwa wenn ihnen Treppen oder hohe Bordsteine die barrierefreie Bewegung verwehren.

 Verschiedene "Hindernisse" stellen die Künstler in der Berliner Landesvertretung von Rheinland-Pfalz aus.

Verschiedene "Hindernisse" stellen die Künstler in der Berliner Landesvertretung von Rheinland-Pfalz aus.

Foto: GAUSMANN

Bildhauer Herbert Höcky hält mit seine Skulptur "Gratwanderung" die Unüberwindbarkeit vor Augen. Er und die ebenfalls in Remagen lebenden bildenden Künstler Irene Eigenbrodt, Christoph und Molly Noebel sowie Dieter Dessinger (Bad Neuenahr) und Chris Dickenden (Köln) stellen unter dem Titel "Blickwinkel" vom 4. bis 31. Juli in der Berliner Landesvertretung von Rheinland-Pfalz aus.

Höckys raumgreifendes Objekt wird im Foyer präsentiert, die grafischen Arbeiten der Künstlerkollegen finden ihren Platz im Raum Gutenberg. Parallel dazu zeigt der Filmproduzent und Regisseur Niko von Glasow (London) Fotos seiner Ganzkörper-Porträtserie Contergan-geschädigter Menschen unter dem Namen "NoBody's perfect", deren Akteure sich im gleichnamigen Film, ein Folgeprojekt, selbst spielen.

Die Arbeiten der Künstler aus der Region berühren die Ein- respektive Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung. Angeregt wurden sie durch die seit 2009 rechtsverbindliche UN-Resolution, Behinderte nicht länger als "krank" (wie bislang durch die WHO) zu stigmatisieren, sondern in ihnen Menschen zu sehen mit einem natürlichen Recht auf gesellschaftliche Teilhabe in allen Lebensbereichen.

Damit verschiebt sich der Blickwinkel auf das Problem. Es betrifft nicht mehr nur die Menschen mit Behinderung, sondern erfordert Bewußtseins- und Haltungsänderung in der Gesellschaft hin zur vollen Einbeziehung, zur Inklusion. "Genau darauf wollen wir in der Ausstellung hinweisen, auf die realen Stufen und Treppen und die Notwenigkeit, die Barrieren im Kopf zu beseitigen, um anders zu denken und zu handeln", sagt Bianca Vogel aus Sinzig, eine der Porträtierten in von Glasows Fotos und Darstellerin im Film.

Sie, die mit Contergan-Schädigung zur Welt kam, und gleichwohl eine der erfolgreichsten deutschen Dressurreiterinnen wurde, wird die Einführung in Berlin halten. Vogel weiter: "Wir weisen auf die Forderung der Behinderten hin, dass wir endlich auf Augenhöhe leben wollen, dass wir keine Verhandlungen führen müssen und dass wir endlich nicht mehr in die Rolle der Bittsteller hineingedrängt werden."

Christina Fuchs aus Remagen, stellvertretende Landesvorsitzende der Selbsthilfe Körperbehinderter (DSK), bekräftigt: "Die Gesellschaft hat eine Bringschuld und drückt den Behinderten eine Holschuld auf." Gemeinsam mit dem DSK hatte Christoph Noebel das Thema bereits 2011 mit einer Ausstellung in seiner Remagener Galerie aufgegriffen. Im Jahr darauf folgte die Fortsetzung im Mainzer Abgeordnetenhaus.

Die aktuelle Berliner Präsentation will, so Noebel, "eine kompaktere Sicht auf das Problem physischer und geistiger Barrieren werfen, um möglichst breitgefächerte Assoziationen zu dieser Thematik zu wecken." Die Künstler, die teilweise auch behindert sind, haben die Forderung nach Inklusion als Ausstellungsteilnehmer für sich voll eingelöst.

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