Theaternacht in Bonn Siebte Auflage bietet Programm für Jedermann

Bonn · Ein Tisch, ein Schauspieler, ein Zuschauer. Und fünf Minuten voller Überraschung, bevor es weiter geht, in die nächste Kabine, zum nächsten Tisch. Dicht, konzentriert, anstrengend. Drei Kurzprogramme in 15 Minuten. Speed-Acting nennt sich dieses Konzept des Euro Theater Central, das bei der diesjährigen siebten Bonner Theaternacht am kommenden Samstag zu den Highlights zählt.

 "Theater ist kein Luxus": Eckart von Hirschhausen.

"Theater ist kein Luxus": Eckart von Hirschhausen.

Foto: dpa

"Im vergangenen Jahr haben wir das nicht anbieten können, woraufhin die Besucher ganz enttäuscht waren", erzählt die Pressesprecherin des Hauses, Ulrike Fischer. "Also haben wir Speed-Acting wieder im Programm. Spannend ist ja, das keiner der Gäste im Vorfeld weiß, worauf er sich einlässt. Ob Monologe oder Lesungen am Tisch stattfinden, erfährt jeder erst am Abend selbst."

In gewisser Weise ist diese Idee ein Sinnbild für die gesamte Theaternacht, auch wenn die symbolischen Tische größer sind und die Anzahl von Schauspielern und Besuchern höher ist. Doch wie beim Speed-Acting sind letztere dazu angehalten, von einer Bühne zur nächsten zu ziehen, Neues kennenzulernen und sich von den Akteuren überraschen zu lassen, wie es etwa der diesjährige Schirmherr, der Kabarettist Eckart von Hirschhausen, fordert.

Das sollte nicht allzu schwer sein, immerhin findet sich auf den 30 im Stadtgebiet verteilten Veranstaltungsorten ein Programm für Jung und Alt: Neben klassischen Dramen und Komödien werden unter dem Motto "Zum Glück: Theater" Parodien, Comedy, Tanz, Musik, Improvisationstheater und sogar eine Opernfilmnacht geboten.

Es ist dieses Überschreiten von Genre- und Generationsgrenzen, die das Potenzial der Theaternacht ausmachen. Klaus Weise, der Generalintendant des Theater Bonn, fügt noch die Internationalität hinzu: "Die Bonn University Shakespeare Company spielt in englischer, die Theatergruppe der Bonner Romanistik La Clinica in spanischer, das Euro Theater Central in französischer Sprache."

Auch das Jugendtheater Marabu nimmt an der Theaternacht teil, obwohl die Aufführungszeiten für die primäre Zielgruppe etwas spät sind. "Das macht gar nichts: Wir sind immer auch für Erwachsene geeignet", erklärt die Mitgründerin Tina Jücker lachend. "Außerdem genießen die meisten es, eins unserer Stücke einmal ohne Kinder zu sehen.

In den vergangenen Jahren hatten wir auf jeden Fall immer die Bude voll." Dieses Mal soll eine ungewohnt komische Inszenierung des ersten Teils von E.T.A. Hoffmanns Erzählung "Der Sandmann" die Besucher anlocken. "Das Stück ist in Zusammenarbeit mit zwei belarussischen Regisseuren entstanden, die es in ihrer Heimat nicht hätten aufführen können", erzählt Jücker.

Denn die Angst, die Hoffmanns Text thematisiert, würde dort sofort mit den politischen Zuständen in Verbindung gebracht. Ein versteckter politischer Kommentar inmitten eines psychologischen Stücks über die Faszination an der Angst - auch das schafft die Theaternacht.

Kurz gefragt

Eckart von Hirschhausen ist Schirmherr der Bonner Theaternacht. Mit dem Kabarettisten sprach Thomas Kölsch.

Was würden die Menschen nur ohne Theater machen?
Von Hirschhausen: Ein Leben ohne Theater ist denkbar, aber wozu? Viele sagen sich "Theater hab' ich schon genug zu Hause" und vereinzeln vor der Glotze. "Zum Glück" gibt es Theater. Ich verdanke ihm ein großes Stück meines Lebensglücks. Es gab das Theater viele tausend Jahre vor dem Fernsehen, und es wird so lange existieren, wie es Menschen gibt. Offline und Off-Broadway.

Was muss ein Theaterstück Ihrer Meinung nach haben, um die Menschen zu berühren?
Von Hirschhausen: Das Leben ist wie eine Wunderkerze. Die kann nur brennen. Wundern müssen wir uns selber. Und deshalb braucht ein Theaterstück einen Inhalt, der anrührt, sowie gute Schauspieler, die mich vergessen lassen, dass ich im Theater bin. Vor einem Bild steht jeder allein, vor einem gelungenen Theaterabend steht uns gemeinsam der Mund offen. Aber es braucht auch Menschen, die sich berühren lassen, es braucht "Seherfahrung". Ich habe zum Glück als Kind und Jugendlicher viele Aufführungen gesehen. Je früher und je öfter man diese Erlebnisse hat, desto tiefer können sie einen prägen und verändern.

Ist es nicht fahrlässig, die Theater in Deutschland zu Einsparungen zu zwingen?
Von Hirschhausen: Theater ist kein Luxus, sondern Notwendigkeit. Bühnen bilden! Und das meine ich nicht abgehoben elitär, sondern ganz praktisch: Hier findet Herzensbildung statt. Wir können mit den Künstlern mitleiden, uns freuen, Eifersucht, Konkurrenz und Liebe erleben und daran wachsen. Jeden Abend sterben Schauspieler für uns auf der Bühne! Und deshalb dürfen wir die Bühne nicht sterben lassen.

Was erhoffen Sie sich von der Bonner Theaternacht?
Von Hirschhausen: In einer Zeit der zerpflückten Aufmerksamkeit und der medialen Vereinzelung braucht es einen besonderen Raum und Rahmen, in dem die Magie der emotionalen Berührung und Verwandlung geschehen kann. Wir müssen uns erst aus unserer Alltagswelt herausreißen, um uns hinreißen lassen zu können. Glück kommt selten allein. Wir sind hungrig nach positiven Gemeinschaftserlebnissen. Die Bonner Theaternacht bietet eine unglaubliche Bandbreite der darstellenden Künste, da ist für jeden etwas dabei. Und der Gedanke, eine ganze Nacht unterwegs zu sein auf Entdeckungstour in lauter neuen Orten und Welten, finde ich großartig. Deshalb: Gehen Sie an Orte, wo Sie noch nie waren, erweitern Sie ihren Horizont, gehen Sie weiter, als sie es jemals für möglich gehalten haben - vielleicht sogar bis auf die andere Rheinseite!

Eintritts- und Fahrkarten

Mit den so genannten Startertickets (16,50 Euro, ermäßigt elf Euro) bucht man die erste Vorstellung in einem Theater seiner Wahl und sichert sich dort, sofern möglich, einen Sitzplatz. Im Anschluss gelten die Tickets für alle Veranstaltungen des Abends, inklusive der Party im Opernhaus. Außerdem berechtigen sie zur freien Fahrt im öffentlichen Nahverkehr. Zusätzlich zum regulären Bus- und Bahnangebot haben die Stadtwerke Bonn zwei Shuttle-Linien eingerichtet, die im Viertelstundentakt von Theater zu Theater fahren.

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