Silberne Schätze aus 127 Jahren

Haus Schlesien in Heisterbacherrott zeigt 600 Stücke aus der Produktion der 1945 untergegangenen Silberwarenfabrik Julius Lemor in Breslau

  Das Silberbesteck  und viele andere Gegenstände sind noch bis Dezember im Museum für schlesische Landeskunde in Heisterbacherrott zu sehen.

Das Silberbesteck und viele andere Gegenstände sind noch bis Dezember im Museum für schlesische Landeskunde in Heisterbacherrott zu sehen.

Foto: Vogel

Königswinter. "J A L" - klitzeklein zieren die drei Buchstaben prächtiges Tafelsilber, silberne sakrale Gegenstände, Ehrenpreise, von dem in Bürgerhäusern ebenso Gebrauch gemacht wurde wie in Adelsburgen, Fürstenschlössern und Offizierskreisen. Von Anfang des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhundert stand das geprägte Kürzel "J A L", kurz "Punze" genannt, für die Initialen von Johann Adam Lemor - und für Spitzenqualität in Sachen Silberzeugnissen.

1818 hatte Lemor im schlesischen Breslau eine Silberwarenfabrik gegründet, die unter dem Namen "Julius Lemor" bald zum Begriff weit über die Stadtgrenzen Breslaus hinaus wurde.

1945 untergegangen, hat Rainer Lemor, ein Nachfahre des Unternehmensgründers, viele silberne Schätze aus dem Hause Lemor zusammengetragen. Auch dank der Unterstützung anderer Besitzer sind seit Sonntag rund 600 Stücke im Haus Schlesien in Heisterbacherrott zu sehen. Ebenfalls eröffnet wurde in der Reihe "Schlesische Museen zu Gast" eine Ausstellung des Regionalmuseums Jauer, die noch bis zum 14. November zu sehen ist.

Es blitzt und blinkt in beinahe allen Vitrinen des Museums im Haus Schlesien: Rund 100 Korpuswaren kann Kunsthistoriker Helga Stoverock, Mitarbeiterin im Haus Schlesien, den Besuchern zeigen, sowie 93 Besteckmuster à 70 Einzelteile und 400 einzelne Besteckteile - von der Kuchengabel bis zum Fischmesser.

Dazu muss man wissen: Edle Bestecke, anfangs nur auf Bestellung im Raum Breslau, mit der Reichsgründung ab 1870/71 auch dank Lagerhaltung für einen größeren Markt produziert, waren eine Spezialität der Firma Lemor. Geliefert wurde bis in die Niederlande und nach Skandinavien.

Was die Ausstellung zudem sehenswert macht: Sie ist nicht nur Streifzug durch 127 Jahre Firmengeschichte der Silberwarenfabrik Lemor, sondern gerät auch zur anschaulichen Zeitreise der unterschiedlichen Stilepochen, zeigt feuervergoldete Kellen aus der Zeit des Klassizismus um 1840 wie auch Teekannen aus Biedermeier, Historismus, Jugendstil und der neuen Sachlichkeit bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts.

Dabei kann der 66 Jahre alte Rainer Lemor, der Sohn des letzten Firmenmitinhabers Walter Lemor, auch auf zahlreiche ausgefallene Exponate verweisen. So beispielsweise auf eine 21 Zentimeter hohe und 830 Gramm schwere Aufsatzschale, die sich in dem nach Themen geordneten Teil der Ausstellung beim "Regimentssilber" findet: Bei der Schale mit aufwändiger Gravur aus dem Jahr 1917 handelt es sich um ein Geschenk für den General der Infanterie Conrad von Gossler.

Rainer Lemor, der als Banker in Schleswig-Holstein Karriere machte, hat noch eigene Erinnerungen an die traditionsreiche Fabrik der Familie Lemor in der Fischergasse 11-13 in Breslau. Als kleiner Junge spielte er während des Zweiten Weltkrieges in dem 60-Mann-Betrieb, der längst die Produktion auf Patronenhülsen und Koppelschlösser umgestellt hatte. Vor den Russen floh die Familie in den Westen, "mit einer Kiste Silber, welche die Mutter bereits 1943 nach Schieder bei Lippe geschickt hatte".

Gleichwohl packte Rainer Lemor die Sammelleidenschaft erst Mitte der 80er Jahre, "als ich immer wieder wegen meines Namens angesprochen wurde". Zudem hatte ihn der damalige Präsident des Hauses Schlesien, Klaus Ullmann, wegen einer Ausstellung angesprochen, was Rainer Lemor nun mit Akribie auf die Suche nach dem Familiensilber stürzen ließ.

Ob im Internetauktionshaus "Ebay", bei Antiquitätenhändlern, auf Flohmärkten oder im Kaufhaus des Westens in Berlin - vielerorts entdeckte er Stücke, die einst in der Silberwarenfabrik Julius Lemor gefertigt worden waren. Sogar aus den USA stammt eine Teekanne, die ebenfalls im Haus Schlesien zu sehen ist. Und ein Ende ist nicht in Sicht: "Fast jede Woche wird mir wieder etwas Neues angeboten." Doch Rainer Lemor sucht inzwischen nur noch gezielt nach besonders schönen Stücken.

So würde er sich über "Gesenke" aus dem Hause "Lemor" freuen. Jene höchst aufwändig hergestellten Formen, mit denen die Bestecke und Leuchter hergestellt wurden. Von denen muss es einst jede Menge gegeben haben: Vor 1910 gab es allein 97 eigene Besteckmuster, erklärt Lemor, wobei jedes Muster 70 Bestandteile hatte.

Mindestens weitere 20 Besteckmuster sind seit 1910 noch hinzu gekommen. Vieles dürfte seit den letzten Kriegswirren verschollen sein und bleiben. "Obwohl Breslau zu rund 80 Prozent zerstört war, habe ich dort noch viele Silberwaren gefunden", erklärt Rainer Lemor: "Aber keine Gesenke mehr."

Zu sehen ist die Ausstellung "Schlesisches Silber" noch bis zum 12. Dezember im Haus Schlesien. Weitere Informationen zu den Öffnungszeiten stehen im Internet unter www.hausschlesien.de

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