Bundeskunsthalle in Bonn So ist die Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt"

Meinung | Bonn · Standpunkt: Die Ausstellung „Bestandsaufnahme Gurlitt“ in der Bundeskunsthalle bediente Sensationslust. Ein Kommentar und eine Warnung vor Staatsunrecht.

 „Bestandsaufnahme Gurlitt“: Skulpturen in der gerade beendeten, beim Publikum erfolgreichen Bundeskunsthallen-Schau.

„Bestandsaufnahme Gurlitt“: Skulpturen in der gerade beendeten, beim Publikum erfolgreichen Bundeskunsthallen-Schau.

Foto: dpa

Die Ausstellung der Bundeskunsthalle „Bestandsaufnahme Gurlitt. Der NS-Kunstraub und die Folgen“ ist beendet. Wurde sie dem Fall Gurlitt gerecht? Zweifel ergeben sich schon aus ihrem Titel: Kunstraub hat primär der NS-Staat betrieben. NS-geschädigte Kunstwerke lagern so vor allem in staatlichen Museen. Die Dimension des NS-Kunstraubs wird deshalb verkannt, wenn er auf einen Kunsthändler – Hildebrand Gurlitt – reduziert wird, dessen Sammlung mit rund 1500 Exponaten gerade einmal sechs Bilder enthält, deren NS-Raubkunstverdacht nachgewiesen ist. Für den NS-Kunstraub ist sie nicht repräsentativ. Damit setzte die Schau Sensationslust fort, die 2013 mit dem irreführenden „Focus“-Artikel „Der Nazi-Schatz“ geschürt worden war.

Verschwiegen hat sie zudem bundesdeutsches Staatsunrecht, das sie erst ermöglicht hat: Staat wie Privatleute profitieren bis heute von zu kurzen Ausschlussfristen des alliierten Rückerstattungsrechts. Weil sie 1950 abliefen, sind bis dahin nicht angemeldete Rückerstattungsansprüche untergegangen. So wurden Staat und Ariseure legale Eigentümer des NS-Raubguts und sind es bis heute. Nach deutschem Recht hätte daher auch Gurlitt wegen seiner Sammlung nie in Anspruch genommen werden dürfen.

Ihm gegenüber aber erhob sich höhere Moral, die ein neues Stück Unrechtsstaat kreierte: Da ging mit Augsburgs Staatsanwalt Johannes Ballis das Jagdfieber durch, als er ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung einleitete, ohne Tatsachen für einen nur konstruierten grenzüberschreitenden Kunsthandel Cornelius Gurlitts in der Hand zu haben.

Es folgten Durchsuchung zur Ausforschung von Cornelius Gurlitts Wohnung, in der er die gesammelten Werke seines Vaters aufbewahrte, Observation mit Außenkameras und eine mehrtägige, unverhältnismäßige Beschlagnahmungsaktion. Sie wurde zu monatelanger Suche nach „entarteter“ Kunst missbraucht, obwohl es für sie zu keinem Zeitpunkt Rückgabeansprüche gab. Von den in toto rechtswidrigen Übergriffen erfuhren Ministeriale in Bayern und im Bund frühzeitig, ohne Ballis Einhalt zu gebieten.

Allgemeine Kritik an Verschwiegenheit

So hatten sie Probleme, als der „Focus“ den „Schwabinger Kunstfund“ publizierte und allgemein Kritik an dessen Verschweigen laut wurde. Nun hätten sie erklären müssen, dass Gurlitt nach deutschem Recht Eigentümer der Sammlung war und staatlich nicht belangt werden durfte. Den Mut brachte niemand auf. Stattdessen hoben Bayerisches Justizministerium und Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien ohne Rechtsgrundlage eine Taskforce aus der Taufe. Obgleich sie, wie sogar ihr Abschlussbericht einräumt, rechtlich „keinen Zugang zu den Werken in privater Hand“ hatte, ein Zugriff darauf also illegal war, stellte sie ohne Einwilligung Gurlitts 590 Bilder als raubkunstverdächtig ins Internet.

Tatsächlich bestand ein solcher Verdacht allein für rund 25 Bilder. Dazu berief sich die Taskforce auf „das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren“. Sie setzte also das dort verübte Unrecht fort.

Damit nicht genug: Die Taskforce-Vorsitzende Ingeborg Berggreen-Merkel lauerte Cornelius Gurlitt auf, um ihn in einem mir vorliegenden Brief mit den Drohkulissen, sie habe bislang sein Betreuungsverfahren angehalten, für seine persönliche Sicherheit könne sie nicht sorgen und er stehe aufgrund der Untersuchungen in der Gefahr einer Prozessflut aus dem Ausland, für die er bezahlen müsse, zur Übertragung seiner Sammlung in eine Stiftung zu drängen, mit der er „Frieden“ finde.

Zu all dem schwieg die Ausstellung. Der beschädigte Rechtsstaat aber lässt sich nur wiederherstellen, wenn verantwortliche Staatsanwälte und Ministeriale disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen werden und Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die zentral politische Verantwortung für das verübte Staatsunrecht trägt, von ihrem Amt zurücktritt. Deutschland muss zudem nicht erneut zu einem Stück Unrechtsstaat mutieren, wenn sich sein Gesetzgeber endlich entschließt, die Rückgabe von NS-Raubgut in Staatshand zu regeln. Nur Cornelius Gurlitt kann niemand mehr gerecht werden, wohl aber dem schwer geschädigten Ruf seiner Familie.

Der Autor dieses Beitrags arbeitet als Rechtsanwalt in München. Johannes Wasmuth beschäftigt sich seit 25 Jahren mit der Aufarbeitung von NS- und SED-Unrecht. Er hat Anfang März im Universitätsclub Bonn einen viel beachteten Vortrag über Nazi-Raubkunst und „das Versagen des Rechtsstaats“ gehalten.

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