Lanxess-Arena in Köln So war das Deichkind-Konzert in Köln

Köln · Kein bisschen müde haben sich die Deichkinder bei ihrem Konzert in der Lanxess-Arena präsentiert. Ganz im Gegenteil. Und das nach 23 Jahre Bandgeschichte.

Lanxess-Arena in Köln: So war das Deichkind-Konzert in Köln
Foto: dpa/Carsten Rehder

Ist jetzt Schluss mit Kindergeburtstag für Erwachsene? Bei dem ziemlich langen Intro zur Show der norddeutschen Elelektro-Rapper Deichkind in der proppenvollen Lanxess-Arena könnte man fast den Eindruck bekommen.

Zuerst hört man die sanfte Stimme des Filmregisseurs Werner Herzogs aus dem Off, der unter anderem vor der Gefahr warnt, die von Handyblitzen ausgeht: „Davon kann man erblinden!“ Und dann sieht man auf einer Leinwand in Großaufnahme den deutschen Kino-, Theater- und TV-Superstar Lars Eidinger, völlig nackt in einem weißen Raum liegend, bis ein Kran ihn an den Füßen hochzieht, den schlaff herabhängenden Körper durch den riesigen Raum schwenkt und den Mann kopfüber in einen Bottich mit Yves-Klein-blauer Farbe tunkt, um mit ihm dann minutenlang die weiße Bodenfläche zu streichen. Düstere Orgel- und Celloklänge aus der Avantgarde-Komposition „Shadow“ des Niederländers Ernst Reijseger untermalen bedeutungsschwer die surreale Szene.

Und dann folgt als erste Deichkind-Nummer die Abrechnung mit der eigenen Hedonimus-Vergangenheit: „Ey Leute, aus dem Alter ist man doch mal langsam raus“ rappen sie in „Wir wollen keine Party“ aus dem jüngsten Album „Wer sagt denn das“ und finden: „Party ist jetzt over, weil das echt keiner mehr braucht. Und dieses (rum-rum-rum-rum), das hält doch keiner aus“.

Danach wummert dieses „rum-rum-rum-rum“ aber dann doch fast zweieinhalb Stunden aus den Boxen und lässt Körper, Trommelfelle und Nasenflügel der Menge erbeben, bis ganz am Ende als Zugabe der absolute Party-Kracher „Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)“ durch die Halle dröhnt und eines der sieben Deichkinder im Gummiplanschbecken über Köpfe und Hände der Massen surft. Ein absolutes Muss in jedem Konzert des norddeutschen Spaß-Kollektivs!

Wirklich müde wirken die Deichkinder nach 23 Jahren Bandgeschichte auch zwischen diesen Nummern nicht. Im Gegenteil: Die minutiös an den insgesamt 30 Stücken entlang durchchoreografierte Show verlangt den Akteuren mächtig was ab. Es wird gehopst, gesprungen und gerannt, es gibt akrobatische Breakdance-Einlagen und ständige Kostümwechsel von rot aufleuchtenden Riesenschädeln über den zur Marke gewordenen LED-Pyramiden bis zu hübsch angemalten Overalls, denen sich immer auch das Bühnenbild anpasst, kurz: Alles ist in permanenter Bewegung inklusive der Kulissen, die in all dem Wahnsinn auch nicht stillhalten mögen.

In „Richtig gutes Zeug“ läuft einer mit einem Rucksack herum, der so groß ist, dass man drin wohnen könnte. Für „Oma gib Handtasche“ hat das Septett sogar noch Verstärkung mitgebracht, eine Gruppe, die im Takt der stampfenden Beats auf kleinen Trampolinen springt. Und zwischendrin taucht Lars Eidinger immer mal wieder als Pappaufsteller auf.

Die kreativen Köpfe der Hamburger Band, Philipp Grüterin, Sebastian „Porky“ Dürre und DJ-Mastermind Henning, halten den Abend in einer perfekten Schwebe, die sich mühelos zwischen Kunst, Satire und absolutem Nonsens bewegt. Live-Musiker brauchen sie nicht.

In „Cliffhänger“ nehmen sie die Seriensucht der TV-Streaming-Fans aufs Korn („Fünf Folgen, sechs Folgen, sieben Folgen, acht - Staffellauf im Sitzen, das geht heut’ die ganze Nacht“), in „Wer sagt denn das“ bleibt nichts unhinterfragt, zum Beispiel ob „nicht Oma dich betrügt beim Enkeltrick“ oder dass „das Raucher auf der Schachtel sind“, um zu dem Ergebnis zu kommen: „Ich glaub ab jetzt nur das, was stimmt“. Hm.

In „Roll das Fass rein“ bewegen sie sich in und auf einem riesigen Bierfass durch die Menge und schwenken dazu eine Fahne mit der Aufschrift „Kein Bier für Nazis“. Ein bisschen politisch darf's bei der Band auch sein, die sich jenseits der Bühne für Flüchtlinge einsetzt und die Seenotrettungsorganisation „Sea Watch“ mit Spenden unterstützt. Doch Aufklärung kennt bei den Hamburgern auch Grenzen, wenn es gleich mit der Frage von dem gleichnamigen Album „Niveau Weshalb Warum“ weitergeht, deren Antwort lapidar heißt: „Wer uns fragt bleibt dumm“.

Ganz am Ende, nach dem Planschbeckenfinale und dem parallel ausartenden Kinderfest auf der Bühne mit Hüpfburg und Miley-Cyrus-Schaukel, wird’s beim Hinausgehen noch einmal subtiler: Da erklingt nämlich passend zum Eidinger-Video der Cream-Klassiker „White Room“.

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