Musikalische Magie So war der Auftakt des Festivals "Over The Border"

Bonn · Der Auftakt zum Festival „Over the Border“ spricht vor allem junges Publikum an. Die einzigartige Stimmung ist ansteckend.

Akustische House-Beats und minimalistischer Hip-Hop treffen auf Balkan Brass, Electro-Swing und Klezmer: Schon der Auftakt zum „Over the Border“-Festival 2018 hat am Wochenende gezeigt, wie vielseitig die Weltmusikszene sein kann, wie bunt – und wie hip. Nicht umsonst wirkt das Programm, das Veranstalter Manuel Banha im nunmehr dritten Jahr auf die Beine gestellt hat, überaus jung, setzt auf Blechbläserformationen mit Technoaffinität (Meute, eine der drei Bands beim sogenannten Gipfeltreffen der deutschen Brass-Bands) oder Rapper aus Berlin-Moabit (Megaloh, der am Sonntag noch brav Heine gelesen hat, bevor er in der kommenden Woche mit zwei Kollegen die Harmonie aufwühlen will).

Und auch das Eröffnungskonzert im Brückenforum schlägt in diese Kerbe. An diesem Abend stehen mit den disco-tauglichen Global-Beat-Pionieren von Äl Jawala und dem Rapper Trettmann zwei Acts auf der Bühne, die in erster Linie ein jugendliches Publikum anziehen. Eine Klientel, für die es längst selbstverständlich ist, zu orientalisch geprägten Melodien und osteuropäischen Rhythmen zu tanzen und die doch zugleich jene Betonwelten kennt, von denen Trettmann singt.

Äl Jawala

Zunächst sind jedoch Äl Jawala am Zug, die Weltmusiknomaden, die so ziemlich jeden partytauglichen Stil in sich aufgesogen haben. Mal erzeugt das wummernde Didgeridoo von Daniel Pellegrini eine Trance, dann wieder verbeugt sich das Quintett vor der Lindy-Hop-Fraktion; mal schmettern die beiden Saxofone von Frontfrau Steffi Schimmer und Energiebündel Krischan Lukanow verführerische Bauchtanzmelodien, dann wieder verwandeln sie das Publikum in wirbelnde Derwische.

Im Gepäck hat die Band dabei auch einiges an neuem Material – der Auftritt bei „Over the Border“ ist für sie der Auftakt zur „Lovers“-Tour, auf der sich Zyklopensurfer und Alienjungen durch die Kraft des Herzens treffen. Erstmals greift Schimmer dabei auch zum Mikrofon, auch wenn den Instrumentalparts immer noch ein großer Raum zugestanden wird. Das Publikum ist begeistert, nicht zuletzt als Äl Jawala kurzerhand in die Menge mäandert und von dort zum Finale bläst.

Auch Trettmann wird kurze Zeit später frenetisch gefeiert. Dass die Texte aufgrund der massiven Bässe mitunter kaum zu verstehen sind, spielt keine große Rolle – die Fans können eh längst alles auswendig, jede Zeile des aktuellen Albums „#DIY“, das von einigen Kritikern zu den besten Neuerscheinungen 2017 gezählt wurde.

Technik ausgefallen

So ist es denn auch kein großes Problem, als die Technik kurzzeitig ausfällt: Trettmann macht einfach a cappella weiter und kann darauf vertrauen, dass die Menge sich die ohnehin recht vorhersehbaren Beats denken kann. Klappt gut. So kann der 44-Jährige also erzählen, von den Seelenfängern in Chemnitzer Plattenbauten oder vom „Walking Blues“, der ihn mitunter überkommt, von der „kalten Welt“ und der Hassliebe hinsichtlich seiner eigenen Herkunft. Bei den Jugendlichen im Saal kommt das hervorragend an, nur auf der Empore sitzen einige Herrschaften mit den Händen über den Ohren und versuchen, die Subwooferklänge ein wenig erträglicher zu machen.

Dieses Problem ergibt sich tags darauf in der Pauluskirche nicht. Das Konzert von Kroke ist ein akustischer Hochgenuss, ja fast sogar so etwas wie eine mystische Erfahrung. Das Trio hat den Klezmer transzendiert und der jüdischen Tanzmusik majestätische Klangteppiche gegenübergestellt, das geht tief unter die Haut. Die musikalische Brillanz ist unübertroffen, vor allem Bratschist Tomasz Kukurba sorgt mit seinem meisterhaften Spiel immer wieder für Erstaunen und Begeisterung.

Minutenlang verliert er sich in unglaublich intensiven Soli, während Bassist Tomasz Lato unbeirrt vom immer gleichen Rhythmus die Spannung hält und Akkordeonist Jerzy Bawoł eine flirrende Atmosphäre generiert. Was für eine musikalische Magie. Derartige Erfahrungen lassen sich nur beim „Over the Border“-Festival machen – und so eine Chance sollte man sich nicht entgehen lassen.

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