GA-Interview mit Wenzel Jacob So wird die Ausstellung von Martin Noël

Bonn · Der Ex-Bundeskunsthallenchef Wenzel Jacob zeigt im Kunstmuseum Bonn eine Ausstellung von Martin Noël. Nächste Station ist die Albertina in Wien.

 Neuer Blick auf das Werk von Martin Noël: (von links) Wenzel Jacob, Anna Niehoff, Stephan Berg und Margarete Noël vor einem der letzten Bilder des vor zehn Jahren gestorbenen Malers.

Neuer Blick auf das Werk von Martin Noël: (von links) Wenzel Jacob, Anna Niehoff, Stephan Berg und Margarete Noël vor einem der letzten Bilder des vor zehn Jahren gestorbenen Malers.

Foto: Benjamin Westhoff

Vor zehn Jahren ist der Bonner Maler und Grafiker Martin Noël 54-jährig gestorben. Das Kunstmuseum Bonn richtet ihm eine pointierte Retrospektive aus, die von Wenzel Jacob, dem ehemaligen, langjährigen Intendanten der Bundeskunsthalle kuratiert wird. Die Schau wird am 11. März, 19 Uhr, eröffnet. Jacob und Intendant Stephan Berg wollen einen Noël zeigen, den so die Bonner nicht kennen. Mit Jacob sprach Thomas Kliemann.

Was ist das für ein Gefühl, im Kunstmuseum Bonn gegenüber ihres ehemaligen Arbeitgebers Bundeskunsthalle eine Ausstellung zu realisieren?

Wenzel Jacob: Es ist ein tolles Gefühl. Das macht mir richtig Freude. An diesem Platz habe ich nur Schönes erlebt. Dieser Ort in Bonn ist für mich mit viel Glück, Verstand und Hingabe besetzt. 1992 haben wir Bundeskunsthalle und Kunstmuseum hier eröffnet. Ich habe mich 20 Jahre lang um das Haus drüben gekümmert. Umso schöner ist es jetzt, hier im Kunstmuseum in einer ganz anderen Architektur zu arbeiten.

Ein ganz anderes Arbeiten, nehme ich an.

Jacob: Hier ist keine Verantwortung, die mich belastet, die liegt in Händen von Stephan Berg. Ich bin hier mit ihm gemeinsam Gastkurator, kann mich entspannt zurücklehnen und ganz nah an der Kunst sein. In der Bundeskunsthalle war mir das nicht so vergönnt.

Gibt es denn auch negative Gefühle beim Blick über den Platz? Immerhin verloren Sie nach dem Bericht des Bundesrechnungshofs 2007 ihren Intendantenjob.

Jacob: Das war natürlich ein heftiger Einschnitt in meinem Leben, so schlagartig aufhören und mit diesen Begleitumständen und Anschuldigungen klarkommen zu müssen. Für mich ist es beruhigend, dass ich mich erfolgreich gerichtlich verteidigen konnte und der Bundesgerichtshof meinen Vertrag für gültig betrachtet hat und meine Honorarzahlungen für zehn Jahre gesichert waren.

Ist das Thema jetzt für Sie erledigt?

Jacob: Nein, das Verfahren gegen den Bundesrechnungshof steht noch aus und wird im Mai in eine heftige Runde gehen, wo die Vorwürfe des Bundesrechnungshofs auf den Prüfstand kommen. Das wird nochmal hochinteressant.

Und noch einmal ein Blick in die Vergangenheit.

Jacob: Aber das Ganze belastet mich nicht mehr so. Und es war ein großes Glück, dass ich Margarete Noël 2011 bei der Gedenkausstellung für Martin Noël im Arp Museum traf und danach das Atelier des Malers sah. Da war ich erstaunt und gerührt zugleich von der hohen Qualität dieser Werke und dem frühen Tod dieses Künstlers. Er ist in Bonn nicht so beachtet worden, wie er es verdient hätte. Nachdenklich hatte mich gemacht, dass Erhard Klein, der Galerist von Sigmar Polke, Imi Knoebel und anderen auch von Noël viel hielt und alle in einer Ausstellung gezeigt hat. Was hat Klein anders gesehen, als andere? Woher kam seine Wertschätzung für Noël? Dieser Frage bin ich nachgegangen.

Und welche Antworten haben Sie gefunden?

Jacob: Ich habe interessante Werke im Atelier gesehen, dann Kollegen eine Auswahl von Werken gezeigt. Zwei Meinungen waren für mich besonders wichtig: Klaus Albrecht Schröder von der Wiener Albertina war sehr begeistert, hat gleich ein Werk angekauft und will einen Teil der Ausstellung in Wien zeigen. Auch Kunstmuseumschef Stephan Berg war überzeugt, dass man den Bonner Künstler, der in Berlin geboren wurde, in dem Rahmen zeigen muss.

Haben sie Martin Noël persönlich gekannt?

Jacob: Ja und ich habe ihn sehr geschätzt. Es hat mich gewundert, dass Katharina Schmidt und Dieter Ronte vom Kunstmuseum ihm keine Ausstellung gewidmet haben.

Was ist denn das Besondere am Werk von Martin Noël?

Jacob: Interessant ist, dass er in den 1980er Jahren anfing, wild zu malen, wie das damals üblich war, im Stil von Georg Baselitz: mit Nicht-Farben. Anders als etwa Baselitz und Kiefer konnte Noël nicht schnell malen. Das war wohl der Punkt, an dem er aufhörte zu malen und sich dem Druck zuwandte. Man kann im Holz nicht impulsiv arbeiten. Schröder hat seinen Katalogtext so überschrieben: „Martin Noël oder Die Entdeckung der Langsamkeit“. Noël hat seinen Strich ins Holz gegraben, im Druck sieht das dann ganz spontan, informell aus.

Am Ende seines Lebens ist er zur Malerei zurückgekehrt.

Jakob: Ja. Er war nicht mehr gebunden an den Gegenstand wie früher. In seinen letzten Bildern ist Noël losgelöst von allem. Eigentlich malt er jetzt nur noch das Licht.

Hat sich seit Noëls Tod der Blick auf sein Werk verändert?

Jacob: Ich bin als Kunsthistoriker gewöhnt, in großen Zeiträumen zu arbeiten, bin sattelfest von der Prähistorie bis heute. Insofern ist ein Rückblick nicht so schwer. Bei Noël finde ich interessant, dass die Farbgebung und die Motive zeitlos sind. Ich habe vielen jungen Leuten diese Arbeiten gezeigt. Er kommt gut an. Für mich ist Noël zeitlos. Vielleicht liegt es an seiner Entdeckung der Langsamkeit.

Bestimmte Bereiche des Werks bleiben in der Ausstellung ausgespart, etwa die runden, bunten Konfettibilder oder die Arbeiten mit Gold. War Ihnen das zu gefällig?

Jacob: Ich habe lange mit Stephan Berg und Margarete Noël darüber diskutiert: In Bonn wollen wir zeigen, dass wir hier einen Künstler haben, der auf einem internationalen Parkett besteht. Ich wollte nicht das Klischee von Noël erfüllen, sondern das Bonner Publikum mit einem anderen, ihm nicht so vertrauten Noël konfrontieren.

Wie geht es für Sie weiter?

Jacob: Ich werde mit Noël weiterarbeiten. Ich habe dieses Werk jetzt verstanden und werde daraus schöpfen. Mit Margarete Noël werden wir weitere Ausstellungen machen. Die Schau in der Albertina ist da gewiss ein erster Höhepunkt – für den Künstler ist das der Olymp.

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