Kammerspiele Bad Godesberg "Sommer und Rauch" von Tennessee Williams kann kaum überzeugen

Bad Godesberg · "Wir liegen alle in der Gosse, aber einige von uns betrachten die Sterne." Wehmütig zitiert die gleichermaßen verklemmte wie empfindsame Alma diesen "oh so wunderbaren Satz". Der abgebrühte John, der Alma später eine "blutarme Jungfer" schimpfen wird, weiß, von wem der Satz stammt: Oscar Wilde. Beide Protagonisten, die verhärmte Alma und der Lebemann John, werden das ganze Stück "Sommer und Rauch" über keine erlösenden Sterne sehen.

Die Suche nach der Seele: Szene aus "Sommer und Rauch" mit Nina Tomczak als Alma und Arne Lenk als John.

Die Suche nach der Seele: Szene aus "Sommer und Rauch" mit Nina Tomczak als Alma und Arne Lenk als John.

Foto: Thilo Beu

Und auch der Zuschauer in den Kammerspielen nicht. Denn "Sommer und Rauch" ist ein zähes, statisches Werk von einem Dichter, von dem man viel, viel besseres kennt und auch in Bonn gesehen hat: Tennessee Williams. Und der Satz von Wilde ist einer der wenigen sprachlichen Glanzpunkte des Abends.

"Sommer und Rauch", 1948, vier Jahre nach der "Glasmenagerie", ein Jahr nach "Endstation Sehnsucht" und sieben Jahre vor der "Katze auf dem heißen Blechdach" entstanden, lässt vieles vermissen, wofür man Williams liebt: spitze und beißende Wortscharmützel, Tempo, intensive Generationenkonflikte. Mit "Sommer und Rauch", zu Recht in Deutschland kaum aufgeführt, woran in Zukunft auch die Neuübersetzung von Inge und Gottfried Greiffenhagen nicht viel ändern dürfte, blieb der große Realist Williams unter seinen Möglichkeiten.

Allenfalls einer lähmenden, zutiefst deprimierenden Südstaaten-Agonie setzt er ein Denkmal. Es ist der steinerne Engel (so hieß das Stück früher auf Deutsch), der einzige Engel im Städtchen Glorious Hill, ein Brunnen: "Sein Körper ist Stein und sein Blut Brunnenwasser", ruft Alma gegen Ende in den Schneesturm hinein.

Vor diesem Brunnen-Engel lässt Regisseur David Mouchtar-Samorai das Drama um Alma und John dahinplätschern. Es ist ein Drama über Begehren und Zurückweisung, über Sex und Seele, Träume und deren Vernichtung. Alma (Nina Tomczak), die ihrer nervenkranken Mutter (Tanja von Oertzen) ihre Jugend geopfert hat und unter der Knute ihres Vaters, des puritanischen Geistlichen Winemiller (Bernd Braun), steht, kann sich dem platonisch geliebten jungen Arzt John (Arne Lenk) nur mit hysterischem Lachen und hyperventilierender Schnappatmung nähern. John begehrt sie dennoch. Und sie bleibt verhaftet in einem moralinsauren Kokon. John wird sich einer anderen, der lebenslustigen Rosa (Julia Hofstaedter), zuwenden, Alma wird sich letztlich zu ihren Gefühlen bekennen - zu spät für ein Happy End.

Die Schauspieler retten den Abend mit engagiertem Spiel, zumeist in Einzelleistungen auf einer exzellent mit Gazestreifen und Projektionen instrumentierten Bühne (Heinz Hauser). Nina Tomczak verkörpert auf geradezu beklemmende Weise die extrem kontrollierte, auf Distanz achtende Alma.

Man nimmt ihr auch das späte Aufglimmen der Gefühle ab, wenn sie sagt: "Das Mädchen, das ?Nein? gesagt hat, existiert nicht mehr, sie starb letzten Sommer - erstickt im Rauch eines Feuers, das in ihr brannte." Arne Lenk gelingt es, die Entwicklung, die seine Figur John vom Schwerenöter zum Gutmenschen durchmacht, glaubhaft zu vermitteln. Seine Bühnenpräsenz fesselt. Auf der Anatomiekarte, auf die er Alma mit unerbittlicher Härte stößt, zeigt er das Gehirn, das nach Wahrheit hungert, den Bauch, der nach Nahrung hungert, das Geschlecht, das nach Liebe hungert; sie habe keinem von den Dreien "zu fressen" gegeben: "Wässrige Kost dem Bauch, dem Rest nur hohle Worte, Haltung, Posen." Starker Moment.

Etwas karikaturhaft kommt Bernd Braun daher, der in einer Doppelrolle sowohl Almas wie auch Johns Vater spielt - beide als extrem unangenehme, autoritäre Knochen. Bravourös spitzt er allerdings den Konflikt zwischen Pastor Winemiller und der Tochter Alma zu. Die wiederum muss mit der dementen Mutter klar kommen: Tanja von Oertzen fasziniert als entfesselter Kobold und unartiges Greisenkind, leidet aber auch wie eine Kreatur an den Dämonen ihrer Umnachtung.

Mrs. Bassett, die Birte Schrein als schrille Nervensäge überzeichnet, lässt in ihrer Trampelhaftigkeit wiederum andere leiden und sprengt Almas Intellektuellen-Salon. Ein Hauch von Loriot, von Anarchie und surrealer Verfremdung durchweht diese kleine Salon-Szene. Hier ahnt man kurz, dass das Stück auch hätte anders laufen können.

Die nächsten Vorstellungen: 5., 23. Februar. Karten gibt es in den Bonnticketshops der GA-Zweigstellen.

Auf einen Blick

  • Das Stück: "Sommer und Rauch" wird zu Recht kaum auf deutschen Bühnen gespielt. Man kennt Besseres von Tennessee Williams.
  • Die Regie: Mouchtar-Samorai gelingt es nicht, dem statischen Stück wirklich Leben einzuhauchen.
  • Die Schauspieler: Engagierte Einzelleistungen retten den Abend.
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