Theaterkritik "Sommernachtstraum" im Bonner Schauspielhaus

Bonn · „Der Sommernachtstraum“ von William Shakespeare und Jens Groß richtet sich an Kinder, Jugendliche und Familien. Das Theater feuert szenisch aus allen Rohren.

 Die jungen Liebenden schlafen, Puck, die Elfen und ihre Königin sind hellwach: Szene aus dem „Sommernachtstraum“. FOTOS: THILO BEU

Die jungen Liebenden schlafen, Puck, die Elfen und ihre Königin sind hellwach: Szene aus dem „Sommernachtstraum“. FOTOS: THILO BEU

Foto: Thilo beu

Am Ende sitzt Puck (Alois Reinhardt) allein auf der Bühne und buhlt um Applaus: „Nun gute Nacht! Das Spiel zu enden, / Begrüßt uns mit gewognen Händen.“ Das wäre gar nicht nötig gewesen. Das Premierenpublikum im Schauspielhaus feierte den „Sommernachtstraum“ enthusiastisch. Zu Recht. Es belohnte eine Komödie für Kinder (ab neun), Jugendliche und Familien nach William Shakespeare von Jens Groß, die vieles zugleich war: zauberhaft, skurril, komisch, ungeheuer bewegt und immer wieder bewegend.

Das große Thema des Stückes, die Liebe, blieb stets im Blick. Die jüngsten Zuschauer im Parkett bekamen schon einmal einen Eindruck davon, welche Turbulenzen, Höhenflüge und Abstürze überwältigende Gefühle für eine Frau (oder einen Mann) auslösen können. Das haut sie alle um, unabhängig von Alter und Geschlecht: Zauberer und Elfen sowie die kompliziert liebenden Hermia und Helena, Lysander und Demetrius. Schauspieldirektor Jens Groß hat aus Shakespeares Drama eine rund zweistündige Fassung (mit Pause) destilliert. Corinna von Rads Inszenierung feuert szenisch aus allen Rohren und trifft stets ins Schwarze. Sie hält die Balance zwischen Komödie und tieferer Bedeutung, lässt den Schauspielern alle Freiheiten, um zu glänzen, und rahmt das mit toller Livemusik ein. Dafür sind Karsten Süßmilch und Henning Nierstenhöfer zuständig.

Ralf Käselaus Bühne ist mal eine Elfenhausfront, mal ein Wald außerhalb von Athen, mal eine Theaterbühne mit Kostümfundus. Dort verwandeln sich die Elfen in Shakespeares Handwerker, die gemeinsam die höchst klägliche Komödie und den höchst grausamen Tod des Pyramus und der Thisbe darstellen wollen. Sie bekommen durch Groß' dramaturgischen Eingriff einen Eindruck davon, wie Menschen und Zauberer ticken. Das zeigt zweierlei: Groß hat mit Mut und Geschick die Struktur des Stückes gestrafft. Und er stellt das Theater, das Spiel ins Zentrum. Und wie sie spielen! Alois Reinhardts Puck ist ein allgegenwärtiger Trickser und Manipulator, dem weiß Gott nicht alles gelingt. Er ist der Motor der komödienhaften Verirrungen und Verwirrungen.

Sein Herr Oberon (Sören Wunderlich) muss das öfter tadeln, aber ihn treibt etwas anderes viel intensiver um: Wie kann er das Herz der zu permanentem Beziehungsstreit aufgelegten Elfenkönigin Titania (Ursula Grossenbacher) gewinnen? Antwort: Indem er die Welt ein bisschen besser macht. Keine leichte Aufgabe.

Titanias Elfen sind ein wahrer Augenschmaus: eine von Sabine Blickenstorfer (Kostüme) in Angora verpackte Best-Ager-Truppe. Birte Schrein als Senfsamen respektive Flaut hat eine Nase wie – genau: das Sams. Das Birte-Sams ist geboren. Schreins Kollegen Christoph Gummert, Wilhelm Eilers und Lukas Metzinger komplettieren ein Quartett, das nicht zuletzt als Handwerker- und Pyramus-und-Thisbe-Ensemble viel Vergnügen bereitet. Gummert macht auch als Esel „bella figura“. Für seinen Zettel/Bohnenstange erfüllt sich zum Schluss ein ganz besonderer Beziehungstraum. Er geht auf Kosten von Schreins Senfsamen/Flaut. Sie bleibt allein, immerhin beschienen von einem Lampionmond. Er ist der kleine Bruder eines schönen, als Schlussbild aufgerufenen Sternenhimmels. Visuelle Poesie beherrscht diese Inszenierung auch.

Die echten Menschen – Hermia (Annina Euling), Helena (Sandrine Zenner), Lysander (Gustav Schmidt) und Demetrius (Timo Kählert) – werden von den wechselhaften Gefühlen füreinander und den Interventionen eines überforderten Puck hin- und hergewirbelt wie Schilfrohr im Wind. Euling weiß am Ende gar nicht mehr, wer sie wirklich ist: Hermia, Helena? Eine Bitte nur: Es wäre schön, die Artikulation der Spieler auf der Bühne zu synchronisieren. Es sollte jedes Wort beim Publikum ankommen.

Höhepunkte des Abends sind ein wilder Tanz und natürlich die Hochzeiten. Damit, bemerkte der amerikanische Filmemacher Woody Allen einmal, geht die Komödie in die Tragödie über. Davon erzählt das Theater vielleicht im nächsten Stück für Kinder, Jugendliche und Familien.

Die nächsten Aufführungen: 25. November; 2., 3., 4., 9., 10., 11., 12., 16., 17., 18., 23., 26. und 30. Dezember; 6. und 27. Januar. Die Schulvorstellungen beginnen um 10 Uhr. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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