Simone Solga im GA-Interview Souffleuse mit Scharfsinn

Bonn · Mit vielen Pointen quer durch den Politikzirkus: Kabarettistin Simone Solga spricht in Bonn demnächst „im Auftrag der Kanzlerin“ vor.

 Im Auftrag Ihrer Kanzlerin: Die Kabarettistin Simone Solga im GA-Inteview.

Im Auftrag Ihrer Kanzlerin: Die Kabarettistin Simone Solga im GA-Inteview.

Foto: Benjamin Westhoff

Fünf Stunden noch bis zu ihrem Auftritt im Roten Saal der Comedia im Kölner Süden. Dann ist Simone Solga wieder „Im Auftrag Ihrer Kanzlerin“ auf Hochtouren: scharfsinnig, frisch, bissig und mit umwerfendem Tempo. Die attraktive 53-Jährige ist in jeder Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung – unter den wenigen Frauen im deutschsprachigen Politkabarett behauptet Simone Solga den Spitzenplatz.

GA: Frau Solga, wie fühlt sich für Sie als Kabarettistin derzeit die politische Welt an – Goldrausch oder Überfütterung?

Simone Solga: Überfütterung. Es passiert so viel und so dicht, es sind sehr viele Dinge offen und man weiß nicht, wie es weitergeht. Es sind auch kriegsentscheidende Dinge dabei, die die Zukunft rigoros verändern könnten. Ich finde, dass man im Moment etwas getrieben ist – auch als Kabarettist. Dem Ganzen gerecht werden, zu allem eine Meinung haben. Eine schwierige Zeit. Eine Zeit des Umbruchs.

GA: Gab es für Sie eine vergleichbar intensive Zeit?

Solga: Ja, die Wende. Da fing ich gerade an mit dem Kabarett in DDR, in der „Pfeffermühle“. Die Leute gingen auf die Straße, und das war spannender als das, was auf der Bühne passierte. Die Straße war aktueller als das Kabarett. Das war ein Einschnitt: Man musste sich neu orientieren. Vieles wiederholt sich und kommt mir bekannt vor. Muss ich als Ossi sagen.

GA: Sind Sie eine Nostalgikerin?

Solga: Nostalgie überkommt mich, wenn ich an mein früheres Zuhause denke, an die Heimat. Für Ostdeutsche gibt es diese Heimat nicht mehr, die ist grundlegend anders, als es damals war. Wenn ich durch Leipzig gehe und mein Vater sagt, guck’ mal, wo deine Schule stand, da ist jetzt ein Supermarkt, wo dein Kindergarten war, ist nun eine Tankstelle – dann ist sie da, die Nostalgie. Wenn ich dann noch Silly höre, den Sound der DDR-Zeit, dann ist es ganz tief, dieses Gefühl. Die DDR will ich deswegen aber nicht zurück haben.

GA: Wie gehen Sie als Kabarettistin mit Donald Trump um, der die mitgelieferte Karikatur seiner selbst ist?

Solga: Spontan würde ich sagen: Ja. Schrecklich. Furchtbar. Absurd. Ich weigere mich momentan aber noch, nur Trump-Bashing mitzumachen. Man muss jetzt erst einmal gucken. Er ist gewählt geworden aus einer Sehnsucht vieler Menschen, das ist ja alles nicht ohne Grund passiert. Entweder er überrascht alle, und es geht voran, oder er macht das ein halbes Jahr und ist dann schon wieder weg.

GA: Haben Sie Hoffnung?

Solga: Die Hoffnung ist, dass er Frieden schafft. Mir hat gefallen, als er sagte: „Politiker, die nur reden und nichts tun, immer nur klagen, aber nichts dagegen tun, werden wir nicht länger dulden. Die Zeit für leeres Gerede ist vorbei. Jetzt kommt die Stunde des Handelns.“ Was hat da wohl Sigmar Gabriel gedacht?

GA: Sie haben eine Buchhändlerlehre absolviert. Wenn Sie eine eigene Buchhandlung hätten, welches Buch würden Sie mittig ins Schaufenster legen?

Solga: Das Grundgesetz, damit es alle lesen. Ganz wichtig! Ich glaube, das Grundgesetz haben die wenigsten gelesen. Und in der DDR, weiß ich noch, musste ich immer die Marx-Engels-Gesamtausgabe in die Mitte stellen, weil ja auch oft keine Ware kam und nur wenige Bücher da waren. Also mussten wir das möglichst breit hinstellen, damit das Regal auch gefüllt aussieht.

GA: Wollten Sie einmal eine Buchhandlung führen?

Solga: Nein. Das ist auch eher zufällig entstanden. Um eine Schauspielschule besuchen zu können, musste man in der DDR entweder Abitur oder eben eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Die Kunsthochschulen wollten das mit der Ausbildung sogar, weil man so als Schauspielschüler schon Praxiserfahrung gesammelt hatte. Und bei mir war kein Abitur, sondern der Beruf angesagt. Dann habe ich geguckt, was ich machen kann: A wie Apotheker, B wie Buchhändler – ich bin bei B hängen geblieben. Mehr war gar nicht dahinter! (lacht)

GA: Vom Schauspiel ging es zum Kabarett, Sie bewarben sich bei der renommierten Leipziger Pfeffermühle. Was hat Sie daran gereizt?

Solga: Es wurde viel gelacht, das kam meinem Sinn für Komik entgegen, es gab eine Kapelle mit vier Leuten, die Musik gemacht haben, es wurde gesungen. Man durfte sagen, was man auf der Straße nicht sagen durfte. Es war immer ausverkauft, die Leute brannten, es war eine riesige Stimmung im Saal – da wollte ich hin.

GA: Wie haben Sie und Ihr damaliges Pfeffermühlen-Ensemble den Mauerfall erlebt?

Solga: Aufregend. Ich kriegte gleich mal die Windpocken und war nicht einsatzbereit (lacht). Und dann dauerte es eine ganze Weile, bis die Kabaretts im Osten ihren Weg finden und definieren konnten. Denn die Straße war viel aktueller.

GA: Sie waren die erste ostdeutsche Kabarettistin im „Scheibenwischer“ von Dieter Hildebrandt. Haben Sie das als Ritterschlag empfunden?

Solga: Nein. Als Hildebrandt mir das vorschlug, bekam ich eher Angst. Ich hatte großen Respekt vor dieser Aufgabe. Der Auftritt beim „Scheibenwischer“ war für meine Karriere auch gar nicht so sehr bedeutend – später, als ich von der Münchner Lach- und Schießgesellschaft die Anfrage erhielt, ob ich als Frau ins Ensemble kommen will, war das ein großer Schritt. Wie auch der Umzug von Leipzig nach München.

GA: Wie fühlte sich denn der Start bei der „Lach- und Schieß“ an?

Solga: Große Angst, wieder einmal. Vor der ersten Probe hatte ich mich in einer Münchner Pension eingemietet und war abends in einem griechischen Restaurant. Da habe ich einen Ouzo bestellt, und dann noch einen Ouzo und dann einen Jägermeister. Die Herausforderung war, dass dem Ensemble alle Frauen weg gelaufen waren und ich sollte das nun machen – als Ostdeutsche, und dann auch noch so jung. Aber ich wurde sehr nett aufgenommen. Es war eine sehr gute Zeit.

GA: Wenn Sie Angela Merkel in der Sauna träfen und fünf Minuten mit ihr alleine hätten – was würden Sie als offizielle „Kanzlersouffleuse“ mit der Kanzlerin besprechen?

Solga: Ich würde sagen: Frau Merkel, seien Sie mal vorsichtig, Sie haben schon die Wende in der Sauna verschwitzt (lacht)! Ich schätze sie durchaus, weil sie eine Frau ist, die mit beiden Beinen auf der Erde steht – und die kein Lackaffe ist wie zum Beispiel so ein Berlusconi es war. Es geht ihr um die Sache und nicht um Show. Ich fand es auch immer äußerst klug von ihr, erst abzuwarten, was andere machen und dann zu reagieren. Das ist keine dumme Strategie. Ich würde sie allerdings auch auf die Flüchtlingskrise ansprechen und fragen, was sie über ein Jahr lang geritten hat, es so zu machen, wie es gelaufen ist.

GA: Wie schätzen Sie Angela Merkel ein?

Solga: Als eine humorvolle und sympathische Frau. Wahrscheinlich viel witziger und spontaner, als wir glauben. Sie hat menschlich reagiert. Aber sie ist jetzt gefangen und kann wohl nicht ohne Gesichtsverlust zurückrudern.

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