Bonner Kunstverein Spiel mit Zeichen und Markisen in Bonn

Bonn · Das Deutschlanddebüt des Norwegers Fredrik Værslev im Bonner Kunstverein mit den "Sail Paintings" und den "Garden Paintings". Es ist die erste Ausstellung der Interimschefin Kyla McDonald in Bonn.

 Zwischen Mustern und Buchstaben findet sich im linken Bild auch eine Bratwurst: Fredrik Værslev im Bonner Kunstverein. FOTO: BENJAMIN WESTHOFF

Zwischen Mustern und Buchstaben findet sich im linken Bild auch eine Bratwurst: Fredrik Værslev im Bonner Kunstverein. FOTO: BENJAMIN WESTHOFF

Foto: Benjamin Westhoff

Mit einem gepflegten Minimalismus, der der klaren Architektur des Bonner Kunstvereins einen ganz besonderen Auftritt gönnt, prägt dessen Interimsdirektorin Kyla McDonald (die amtierende Chefin Michelle Cotton ist im Mutterschutz) ihre erste Bonner Ausstellung. Die Stirnwand, die der erste Eindruck der Halle ist, bleibt leer, der Kubus in der Mitte ebenso. McDonald hat eine pointierte Auswahl aus dem aktuellen Werk des Norwegers Fredrik Værslev getroffen und setzt sich mit ihrer spartanischen Präsentation von der ersten Station der Ausstellung „Tan Lines“ in der Kunsthalle St. Gallen ab, wo die Schau bis Mitte Februar zu sehen war. Dritte Station ist die Fondazione Giuliani in Rom.

Die luftige Hängung tut dem mitunter recht kleinteiligen Charakter von Værslevs Arbeiten gut, die Strenge kontrastiert mit einer fantasievollen Verspieltheit und wuseligen Struktur der meisten Arbeiten. In seiner sehr gelungenen ersten großen Einzelausstellung in Deutschland zeigt der 38-jährige Norweger zwei Werkgruppen: die wie Bootssegel anmutenden, eleganten „Sail Paintings“ und die eher groben „Garden Paintings“, die auf Lattenkonstruktionen basieren, die an Industriepaletten oder Gartenzäune erinnern. Dass Værslev ein kritisches, auch ironisches Auge auf mehr oder weniger künstlerische Auswüchse des Alltagsdesigns und Irrwege von heimischen Einrichtungsmoden hat, war schon in den Hausskulpturen von 2016 zu spüren, die sich puppenstubenhaft dem Betrachter öffneten und ihr spießiges Interieur preisgaben: Tapetenmuster, Bilder in fleckiger Terrazzo-Optik.

Lachende Bratwurst im Bild

Das mitunter gewöhnungsbedürftige Streifenmuster, ob von Tapeten oder Markisen, trifft nun in den „Sail Paintings“ auf ein zweites Element ästhetischer Verirrung: betont banal geratene Logos, maritime Symbole, Schriftzeichen. Der Künstler selbst bezeichnete diese Elemente bei der Pressevorstellung am Donnerstag amüsiert als „schlechtes Grafikdesign“, das er verfremdet und mit seiner Streifenoptik kombiniert. Værslev verwendet die Initialen seines Namens, sein Geburtsjahr 1979, ein verändertes Logo der Kunsthalle St. Gallen – eine lachende Bratwurst – und ein fiktives, an die geschwungene Schrift auf Mozartkugeln angelehntes Logo des Bonner Kunstvereins. Værslev misst den Logos, Buchstaben und Zahlen keine tiefere Bedeutung zu. Sie sind Spielmaterial für eine gestische, abstrakte Komposition. Manchmal auch für eine Anspielung: Ein Punktraster etwa bringt den bewunderten Kollegen Sigmar Polke ins Spiel.

Für seine Segel hat Værslev frühere und aktuelle Bilder zerschnitten, kombiniert, zusammengenäht und in Form gebracht. Er selbst ist kein Segler, ist aber an der Küste aufgewachsen. Seit der frühen Kindheit nimmt er Segelboote wahr. Ähnlich autobiografisch wie die „Sail Paintings“ sind die seit 2012 entstehenden „Garden Paintings“, die auf Holzgittern basieren, die man in jedem norwegischen Baumarkt kaufen kann und die als Bodenpaneele auf Terrassen und Balkonen eingesetzt werden können. In seinem Vaterhaus hat er diese in den Jahren und durch Renovierungen fleckig gewordenen Holzgitter gesehen. Was er jetzt im Kunstverein zeigt, ist eine Antwort darauf, eine Replik. Die „Garden Paintings“, die gleichermaßen als Malerei wie als Skulptur im Raum wirken, sind Grundlage für seine Experimente mit stark verdünnter Farbe, mit Lacken und Poliermitteln. Interessant ist auch, was nicht mehr zu sehen ist: Das war einmal ein wildes „Baselitz-Painting“, sagt er vor einem vielfach abgeschliffenen und mit Schleiflack veredelten Gitter. Hier und da, an den Rändern, ist Værslevs „Baselitz“ noch zu spüren.

Bonner Kunstverein; bis 31. März. Di-So 11-17, Do bis 19 Uhr. Eröffnung: 2. Februar, 19 Uhr. Künstlergespräch: Frederik Værslev mit Kyla McDonald, 3. Februar, 12 Uhr.

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