Theater im Ballsaal Sprach- und Klopfgeräusche

Bonn · Bettina Marugg mit der Performance „Female Alphabet“ im Theater im Ballsaal. Ein reizvoller und ungewöhnlicher Abend, an dem Lyrik zu atmen beginnt

 Sie bringt Lyrik zum Atmen: Bettina Marugg bei ihrem Auftritt im Theater im Ballsaal. FOTO: KÖLSCH

Sie bringt Lyrik zum Atmen: Bettina Marugg bei ihrem Auftritt im Theater im Ballsaal. FOTO: KÖLSCH

Foto: Thomas Kölsch

Elektro-Klänge wabern durch den Raum, verdichtet durch rhythmische Klopfgeräusche auf Tonnen und Trommeln. Darüber eine Stimme, die Sprachspuren folgt, mal assoziativ und dann wieder deskriptiv Alltagsgegenstände und philosophische Reflexionen aufnimmt und diese geschickt in Worte kleidet. Es entsteht ein verbaler Sog, ein lexikalischer Strudel mit bemerkenswerter Kraft, den Schauspielerin Bettina Marugg bei ihrer Spoken-Word-Performance „Female Alphabet“ im Theater im Ballsaal zu lenken versteht. Unterteilt durch die alphabetischen Reihungen der Schweizer Komponistin Annette Schmucki und ausgehend von Auszügen aus Getrude Steins „Tender Buttons“ nimmt sie sich Gedichte und Rap-Beiträge zeitgenössischer schweizerischer und englischsprachiger Künstlerinnen zur Brust und sorgt zusammen mit Elektro-Künstlerin Annie Rüfenacht und Perkussionist Christoph Brunner für eine ungewöhnliche Erfahrung.

Marugg hat eine bemerkenswerte Bandbreite an poetischen Texten zusammengestellt, von der zwischen Tonfällen und minimalen Bedeutungsverschiebungen wandernden Kunst einer Heike Fiedler über die Reisebeschreibungen der Bernerin Ariane von Graffenried bis hin zum ekstatischen „Prrrdy“ der Rapperin Big Zis und dem resignierten „Europe is lost“ der Poetry-Slammerin und Sängerin Kate Tempest. Zugegeben, eine klare Dramaturgie ist dabei nicht erkennbar, und mitunter wäre ein bisschen weniger Effekt und ein bisschen mehr Stimme durchaus hilfreich (vor allem Rüfenachts Klangkonstrukte wirken oft beliebig). Außerdem ist Marugg bei aller Wandlungsfähigkeit einfach keine Rapperin, lässt in der Textflut jene Mühelosigkeit vermissen, die benötigt wird. Andererseits versteht sie sich blendend auf die Dynamik poetischer Sprache und gewährt den Texten in der Regel den Raum, den sie verdienen. Den generiert auch Brunner, der weniger auf Klang als vielmehr auf Geräusche aus ist und damit eine Art Rahmen für Maruggs Beiträge schafft. Somit entsteht ein reizvoller und ungewöhnlicher Abend, an dem Lyrik zu atmen beginnt. Was schon an sich sehr viel wert ist.

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