Beethovenfest 2015 Stephanie Thiersch beglückt mit einer Choreografie

BONN · Es ist ein Bild, das sich denen, die bei dieser Premiere des Beethovenfests in der Halle Beuel gewesen sind, einbrennen wird: Auf einem Lastenwagen stehen zwei Musikerpaare, deren Spiel Menschen anlockt, wie der Flöte spielende Rattenfänger die Kinder.

 Szene aus "Bronze by Gold" in der Halle Beuel.

Szene aus "Bronze by Gold" in der Halle Beuel.

Foto: Barbara Frommann

Einer nach dem anderen kommen sie und klettern auf die kaum mehr als zwei Quadratmeter kleine Ladefläche des Wagens, bis sich am Ende in dieser Enge elf Menschen drängeln, von denen vier - auswendig - die "Große Fuge in B-Dur" von Ludwig van Beethoven spielen.

Dabei weiß jedes Streichquartett-Ensemble ein Lied davon zu singen, wie schwer dieses Werk schon auf Stühlen sitzend und mit Noten vor den Augen zu spielen ist.

Irgendwann steigt eine Frau in weißer Bluse vom Wagen herab, ergreift ein Seil und zieht Musiker und Lauschende langsam quer durch den Bühnenraum. Solche ein Bild setzt beim Betrachter einige Assoziationen in Gang. Man denkt an ein Floß oder ein Boot, und wenn dann noch auf jedem Meter ein "Opfer" vom Ladeflächenrand zu Boden gleitet und buchstäblich auf der Strecke bleibt, ist der gedankliche Schritt zu den Flüchtlingen, die auf übervollen Booten übers Mittelmeer treiben, naheliegend. Ob die Kölner Choreografin Stephanie Thiersch das in ihren suggestiven Bildern zum Ausdruck bringen will, ist dabei nicht entscheidend.

Man kann die Szene aus ihrem neuen Stück, das den bei James Joyce entlehnten Titel "Bronze by Gold" trägt, freilich auch sehr viel abstrakter deuten und danach fragen, wie Thiersch sich der "Großen Fuge" annähert. Natürlich hätte sie die virtuosen Tänzer des Ensembles "MOUVOIR/Stephanie Thiersch" den Fugeneinsätzen hinterherrennen lassen können, die punktierten Rhythmen und Achteltriolen in Bewegungsmuster übersetzen können.

Aber dort wo Beethoven sich - mit einigen Freiheiten - den strengen Regeln des musikalischen Kontrapunktes unterwirft, sie aber zugleich in jedem Takt mit mit Macht zu sprengen sucht, unternimmt sie gar nicht erst den Versuch, die Musik zu doppeln.

Stephanie Thiersch bleibt ihrer eigenen Tanzsprache, ihrem Stil treu. Man sieht zuckende Leiber, rennende, tanzende Menschen, in Hektik oder in Zeitlupe. Man zerrt sich an den Kleidern, schleckt den nackten Arm seines Gegenübers, in den Szenen stecken Liebe, Verzweiflung und Wahnsinn, womit man dann doch wieder ganz nah an Beethoven ist.

Es ist bereits die zweite Zusammenarbeit von Stephanie Thiersch und den experimentierfreudigen Streichern des Asasello-Quartett. Ristoslav Kozhevikov, Barbara Kuster (Violinen), Justyna Sliwa (Viola) und Teemu Myöhänen (Violoncello) integrieren sich mutig in die Choreografie, auch wenn sie ihre Instrumente mal beiseite legen. Das ist bewundernswert - so physisch wird Musik selten erfahrbar.

Doch in dem Stück kamen auch andere Klänge zu Gehör, wilde, zeitgenössische Streichquartettklänge von Márton Illés (Torso V) und Hikari Kiyama (Raga) oder groovende Beats, die DJ Elephant vom Turntable aus, der auf der Bühne platziert war, durch den Raum schallen ließ. Weil aber mit der Großen Fuge der Höhepunkt des Spannungsbogens schon recht früh seinen Höhepunkt erreicht ist, wird es für die Ausführenden ganz schwierig, danach dieses Niveau zu halten.

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