Sternstunde auf dem Museumsplatz

Böse alte Männer. Gute alte Männer. Weil sie ihn noch haben, den Biss. Sie haben noch die Leichtigkeit des Seins. Und sie haben auch noch ihre Ideale, von denen sie nicht im Mindesten gewillt sind, abzurücken. Konstantin Wecker und Hannes Wader sind aktueller denn je.

 Voller Strahlkraft: Konstantin Wecker und Hannes Wader.

Voller Strahlkraft: Konstantin Wecker und Hannes Wader.

Foto: Horst Müller

Bonn. Böse alte Männer. Gute alte Männer. Weil sie ihn noch haben, den Biss. Sie haben noch die Leichtigkeit des Seins. Und sie haben auch noch ihre Ideale, von denen sie nicht im Mindesten gewillt sind, abzurücken.

Konstantin Wecker und Hannes Wader sind aktueller denn je. Was für ein Abend, was für ein Konzert. Das war noch einmal Museumsplatz-Magie vom Feinsten. 2 300 Zuhörer sind zu dem bestuhlten Konzert gekommen, mit anderen Worten: ausverkauft. Satte drei Stunden spielen Wecker und Wader durch, ohne Pause. Sie haben nämlich viel zu erzählen.

Fotos Bilder vom KonzertUnd sie haben noch jede Menge zu sagen. Oftmals auch erfreulich selbstironisch. "Wir kommen langsam ins Bums-Alter", bekennt Hannes Wader (69) anfangs. "Kaum sitze ich vor dem Fernseher und bums - bin ich eingeschlafen." Begleitet wird das alliterative Duo von Jo Barnikel (Keyboards), Nils Tuxen (elektrische und akustische Gitarren, Pedal Steel, E-Bass, Mandoline) und Hakim Ludin (Percussion)."Leben im Leben" ist das Eröffnungslied; im musikalischen Country-Gewand kommen "Schön ist das Alter" und "Damals" daher. Die Zuhörer freuen sich besonders über den Klassiker "Sommer", und danach fragt sich Konstantin Wecker laut, ob Rating-Experten gleichzeitig Terror-Experten seien.

"Wir sind natürlich alles selber schuld", sagt der 64-Jährige. "Anstatt wir uns aufregen und auflehnen, beschäftigen wir uns monatelang mit irgendwelchen saudummen Hochzeiten von saudummen Prinzenpaaren." Passend dazu folgt der herrlich abschätzige Blick auf die "Feine Gesellschaft". Es geht weiter mit Waders Oldie "Trotz alledem", der bestens zur Renaissance des Neoliberalismus passt. Liedzeile: "Wir bräuchten einen neuen Sozialismus mit neuem Schwung".

Was durchaus Applaus hervorruft: Der Profitmaschinerie "Sand ins Getriebe" streuen. Wecker spricht Klartext: "Zuhälter des Kapitals" und "milliardenschwere Psychopathen" regierten die Welt. "Ich habe das Gefühl, dass in unserer Gesellschaft beim Aufstieg nach oben Mitgefühl hinderlich ist." Ein erster emotionaler Höhepunkt ist dann Weckers Solo "Was immer mir der Wind erzählt".

Auch Waders Solo "Nun muss ich gehn" über verdorrte Liebe ist voller Strahlkraft, seine Stimme changiert zwischen abgeklärter Reife und tief greifender Sensibilität. Faszinierend. "Ich kann mir Liedtexte nicht erdenken", berichtet Wecker zwischendurch. "Ich muss warten, bis sie in mir passieren. Ich muss warten, bis mich die Muse küsst." Sie hat ihn geküsst.

Nach sieben Jahren Pause wird im Herbst ein neues Album erscheinen, das er in der Toskana geschrieben hat. Daraus stellt er vorab den köstlichen Song "Kanzlerin" vor, angelehnt an die Chanson-Tradition des Georg Kreisler: "Doch zuletzt war sie ein wenig zu kokett/Da legte sie sich mit der Atomlobby ins Bett". Dankbar saugt der Zuhörer jedes Lied der Zwei auf, die Zeit vergeht wie im Flug: "Die Damen von der Kö", "Absurdistan", "Die Mine", "Sage Nein!", "Keiner wagt".

Bonn ist das Abschlusskonzert der "Kein Ende in Sicht"-Tour von Wecker und Wader. Die letzte Dreiviertelstunde steht das gesamte Publikum. Immer wieder Freudenschreie, Jubelpfiffe. Für "Dat du min Leefste büst" singt Wecker in bayerischer, Wader in norddeutscher Mundart. Der letzte Song ist das wunderbare "Schlendern", mit einem Text, über den Wecker sagt: "Tolerant, voller Mitgefühl und vor allem intelligent - also alles, was Sarrazin abgeht." Am Ende umarmen sich die beiden Liedermacher-Ikonen innig. Konstantin Wecker wird hinterher sagen, dass er gerne drei weitere Stunden gespielt hätte.

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