Kölner E-Werk The Raconteurs geben ein grandioses Konzert
Köln · The Raconteurs sind am Dienstagabend im Kölner E-Werk aufgetreten. Sie brauchten keine Sekunde, um die gute alte Rock 'n' Roll-Maschine sofort wieder auf Hochtouren zu fahren.
Mit der zweiten Platte „Consolers of the Lonely“ holten Jack White und sein Bandprojekt The Raconteurs 2009 eine Grammy-Nominierung für das beste Rock-Album des Jahres. Die Lorbeeren sind längst welk, doch die Musik hat den zehnjährigen Dornröschenschlaf der Band bestens überstanden und klingt um keinen Tag gealtert: Im ausverkauften Kölner E-Werk brauchen die Raconteurs am Dienstagabend keine Sekunde, um mit dem Titelstück dieses Albums die gute alte Rock-'n'-Roll-Maschine sofort wieder auf Hochtouren zu fahren.
Harte, knackige Gitarrenriffs, dazu Jack Lawrences Bass und vor allem Patrick Keelers Schlagzeug treiben den Gesang von Whites Co-Frontmann Brendan Benson an, bis Jack White unter Jubel des Publikums übernimmt und das Stück in ein aggressives, krachendes und jaulendes Gitarrensolo überführt und mit einem perfekten Timing einen grandiosen Höhepunkt setzt.
Das Zusammenspiel der Raconteurs funktioniert noch immer wie eine topgepflegte Schweizer Uhr, nur tickt es bei den Musikern ein bisschen lauter. Auch Gastmusiker Dean Fertita, den White von seinem anderen Bandprojekt The Dead Weather geholt hat, macht an Tasten oder auch mal an der Gitarre eine tolle Figur.
Ein Vorgeschmack auf das von den Fans sehnsüchtig erwartete, für den 21. Juni angekündigte neue Album „Help Us Stranger“ schloss sich mit „Bored and Razed“ an. Der kraftvolle Song knüpft genau dort an, wo die Raconteurs 2008 aufgehört haben. Für stilistische Experimente hat White schließlich andere Projekte an der Hand. Mit „Level“ rufen sie dann auch ihren 2006 erschienenen Erstling „Broken Boy Soldier“ in Erinnerung.
Das furiose Temperament, mit dem die US-Musiker ihrem Publikum die Songs um die Ohren schleudern, lässt kaum Zeit durchzuatmen. Erst bei „Old Enough“ hat das durchaus textsichere Publikum Gelegenheit, mitzusingen, bevor der Chor erneut von den Gitarren hinweggefegt wird.
Elektrisch verstärkte Gitarren wirken ja im fortschreitenden 21. Jahrhundert mitunter etwas aus der Zeit gefallen. Musiker wie Led Zeppelins Jimmy Page, der zu Whites Heroen zählt, scheinen einer aussterbenden Spezies anzugehören. Dass bei den Raconteurs so etwas wie Rock-Nostalgie dennoch erst gar nicht entsteht, liegt an der Kraft und dem lodernden Feuer, mit dem sie die alten und neuen Songs heraushauen. Überhaupt ist Jack White ein Konservativer mit dem Herzen eines Revolutionärs. Mit seinem vor gut einem Jahrzehnt gegründeten Label „Third Man Records“ und einem eigenen Presswerk in Detroit setzt er vor allem Vinyl; Leute, die Handys mit zum Konzert bringen, müssen sie am Eingang in spezielle Beutel stecken, die elektronisch versiegelt werden. Vor allem aber ist White, der als Frontmann des Duos The White Stripes berühmt wurde, ein unglaublich charismatischer Musiker mit einem riesigen Ego und einer unglaublichen kreativen Energie. Dass er jetzt nach drei Soloalben Brendan Benson wieder als Sänger, Gitarrist und Songschreiber auf Augenhöhe agieren lässt, ist da irgendwie auch bemerkenswert.
Die insgesamt 17 Stücke, die sie in Köln spielen, rasen im Flug vorbei. Die Blues-Wurzeln der Band kommen besonders eindrucksvoll beim letzten Stück vor den Zugaben zur Geltung: „Blue Veins“ mit einem lodernden Gitarrensolo und Whites Stimme, die das Mikro beinahe zum Kollabieren zu bringen scheint. In der ersten Zugabe bringt Keelers Schlagzeug das Donovan-Cover „Hey Gyp (Dig the Slowness)“ auf Trab. In „Salute Your Solution“ lassen sie es noch einmal wild krachen, bevor das Konzert mit „Steady, as She Goes“, dem größten Hit der Band, unter lautem Jubel des Publikums bravourös zu Ende geht.