Tannenbusch-Gymnasium Theater-AG bringt den Wahnsinn auf die Bühne

TANNENBUSCH · In Schwester Ratcheds Welt herrschen Angst und Ordnung. Die Stationsschwester der Psychiatrie aus dem Theaterstück "Einer flog über das Kuckucksnest" führt ein eisernes Regiment über ihre Patienten.

 Schlüsselszene: Der Häuptling (Muad Khemiri) will einen Patienten ersticken.

Schlüsselszene: Der Häuptling (Muad Khemiri) will einen Patienten ersticken.

Foto: Barbara Frommann

Bis der Kleinkriminelle Randle McMurphy in ihrer Station aufschlägt und ihre Welt gehörig durcheinander bringt. Schüler der Theater-AG am Tannenbusch-Gymnasium führen das Stück nun auf. Ein Stoff, der den jungen Schauspielern einiges abverlangt.

Da ist etwa Indianerhäuptling Chief Bromden, der sich aus Angst vor Schwester Ratched taubstumm stellt. Für Schauspieler Muad Khemiri bedeutet das eine enorme Herausforderung, da er seinem Charakter nur durch Mimik und Gestik Ausdruck verleiht. Der 19-Jährige macht zum ersten Mal Theater und hat sich zur Vorbereitung in den Gemütszustand seiner Rolle hineingedacht. "Ich habe versucht, mich mit dem Häuptling zu identifizieren", so Khemiri. "Im Grunde wird man schließlich selbst zu dieser Person, übernimmt ihre Bewegungen und Ausdrucksformen."

McMurphy, gespielt von Moritz Lewerenz, schafft es zwar, sich gegen das System der Psychiatrie zu wehren, bringt damit aber auch Schwester Ratched gegen sich auf. Das hat zur Konsequenz, dass er mittels Hirnoperation stillgestellt wird. Als der Häuptling sich schließlich über McMurphy beugt, um ihn zu ersticken und so als Gnadenakt zu erlösen, werden die Zuschauer mit der Verzweiflung der Figuren zurückgelassen. Das Stück wirft viele Fragen über Moral und Gesellschaftsstrukturen auf. Auch deshalb dürfen Schüler der Klassen 6 bis 7 es nicht sehen.

Die Thematik lässt die Schauspieler selbst ebenfalls nicht unberührt, wie AG-Leiterin und Regisseurin Stefanie Heß weiß. Denn es geht um Machtstrukturen, Machtmissbrauch und systematische Unterdrückung. Deshalb hat Heß ihre 22 Schüler ab Klasse 8 bis zum Abiturjahrgang zunächst auf ihre Rollen vorbereitet. "Wir haben darüber gesprochen, was es heißt, psychisch krank zu sein, und warum uns das Angst macht", so Heß. "Aber auch darüber, wie psychisch Kranke in Mainstreamproduktionen aus Hollywood dargestellt werden."

Als Dale Wassermanns Theaterstück 1963 erschien, prangerte es den Umgang mit psychisch Kranken an. Seitdem hat sich viel getan. Für Theaterleiterin Heß hat das Thema dennoch eine sehr aktuelle Bedeutung. Das zeige nicht zuletzt der Fall von Gustl Mollath, der Willkür im System geschlossener Anstalten in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gebracht hat. Das Stück halte der Gesellschaft zudem einen Spiegel vor die Nase. "In der Psychiatrie landen diejenigen, die an dieser Gesellschaft scheitern und zerbrechen. Die Schlüsselaussage ist doch, dass die Welt den Starken gehört.", so Heß.

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