Theater Bonn in Berlin eingeladen

BONN · Riskier doch mal was, ausnahmsweise", raunt Katrine dem fiesen Bürgermeister von Henrik Ibsens Stück "Ein Volksfeind" ins Ohr. Das Theater Bonn hat im September mit Lukas Langhoffs Inszenierung einiges riskiert, und sie hat gewonnen. Als einzige Produktion aus NRW ist das Bonner Stück zum Berliner Theatertreffen eingeladen worden, wo die zehn besten Inszenierungen des Jahres zu sehen sind.

 Ringen um das beste Stück: Szene aus Lukas Langhoffs Inszenierung von Ibsens "Ein Volksfeind" in Bonn.

Ringen um das beste Stück: Szene aus Lukas Langhoffs Inszenierung von Ibsens "Ein Volksfeind" in Bonn.

Foto: Thilo Beu

Franz Wille, Jurymitglied des Theatertreffens der Berliner Festspiele, meinte, der Bonner "Volksfeind", gespielt von Falilou Seck, "hat Migrationshintergrund, scheint bestens assimiliert und bleibt trotzdem ein unberechenbarer Fremdkörper". Und zum Regisseur: "Lukas Langhoff setzt knappe, scharfe Schlaglichter."

Temporeich, mit originellen Bildideen, wunderbaren Typen und einem leidenschaftlich agierenden Ensemble ging der "Volksfeind" in Bonn über die Bühne. Am Ende sitzt die gescheiterte Familie Stockmann am elektrischen Lagerfeuer auf einer DDR-Fahne, feiert das Ende des Kapitalismus und singt "Vorbei, vorbei, vorbei, Weißt du noch?" Es ist eben nicht vorbei. In Berlin wird die Bonner Produktion auf ein hochkarätiges Konkurrentenfeld treffen, das für den Preis des Theatertreffens (4. bis 20. Mai) in den Ring steigt.

Insgesamt standen rund 430 Inszenierungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Auswahl. Eingeladen sind neben dem Theater Bonn das Hebbel am Ufer (Berlin) mit "Before Your Very Eyes" von Gob Squad, Produktion eines deutsch-britischen Performance-Kollektivs, und Milo Raus "Hate Radio". Aus dem Thalia Theater in Hamburg, das diesmal mit den Salzburger Festspielen kooperiert, kommt Nikolaus Stemanns Inszenierung von "Faust I+II".

Die letzte Einladung Bonns nach Berlin liegt 13 Jahre zurück

Die Münchner Kammerspiele treten mit Sarah Kanes Trilogie "Gesäubert/ Gier/ 4.48 Psychose", inszeniert von Johan Simons, sowie "Macbeth", einer Regiearbeit von Karin Henkel, an. Die Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz ist mit einer zehnstündigen Radikalversion von Ibsens "John Gabriel Borkman" (Regie: Vegard Vinge, Ida Müller und Trond Reinholdtsen) und Franz Arnolds und Ernst Bachs Gesellschaftssatire "Die (s)panische Fliege" (Regie: Herbert Fritsch) beim Theatertreffen. Außerdem zeigt die von Frank Castorf geleitete Volksbühne René Polleschs Neuinterpretation von Brechts "Fatzer"-Fragment, "Kill your Darlings! Streets of Berladelphia". Aus dem Wiener Burgtheater kommt Alvis Hermanis Inszenierung von Cechovs "Platonov".

Das Kölner Schauspiel, das unter der Intendantin Karin Beier mehrfach zum Theatertreffen eingeladen war, zuletzt mit Elfriede Jelineks "Das Werk/ Im Bus/ Ein Sturz" und Tschechows "Kirschgarten", geht dieses Mal leer aus.

Für die Auswahl verantwortlich zeichnete eine siebenköpfige Jury mit den Theaterexperten und -kritikern Vasco Boenisch, Anke Dürr, Ulrike Kahle-Steinweh, Ellinor Landmann, Christoph Leibold, Christine Wahl und Franz Wille. Erstmals lädt das Theatertreffen schon vor Beginn des Festivals zur Diskussion auf seinem Blog (www.theatertreffen-blog.de) ein.

Die letzte Einladung des Bonner Schauspiels zum Theatertreffen liegt 13 Jahre zurück - Ende der Ära Manfred Beilharz. Weitere Einladungen gab es 1996 und 1993.

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