Theater Bonn inszeniert überzeugend "Zähmung der Widerspensitgen"

In Werkstatt sind häufig aufregendste Stücke zu sehen - Tolles Spiel von Nicole Kersten und Ralf Drexler

Theater Bonn inszeniert überzeugend "Zähmung der Widerspensitgen"
Foto: Lilian Szokody

Bonn. Ein Hund! Im Vorspiel zur "Zähmung der Widerspenstigen" in der Werkstatt begegnen sich Nicole Kersten (Katharina) und der kleine Vierbeiner auf Augenhöhe. Dazu muss Kersten auf die Knie gehen. Die beiden bellen sich an, das sieht niedlich aus.

In dem Bild verbirgt sich jedoch auch eine Botschaft: Am Ende wird Katharina, die Widerspenstige, so fügsam sein wie ein Einser-Hundeschul-Absolvent. Hündische Unterwerfungsgesten waren dem Autor William Shakespeare übrigens nicht fremd. "Ich bin Eur Hündchen" (Schlegels Übersetzung), sagt die vor Liebe blinde Helena zu Demetrius im "Sommernachtstraum".

Die frühe, in Padua spielende Shakespeare-Komödie "Die Zähmung der Widerspenstigen" ist eine sexistische Männerfantasie. Petruchio, der Macho, macht sich Katharina untertan, er zähmt sie wie ein wildes Tier. Und sie findet das gut. Das hat das Drama dem feministischen Milieu von jeher suspekt gemacht.

Allerdings untergräbt das Stück subversiv seinen eigenen Anspruch, wie der Anglist Ulrich Suer~baum mit der ihm eigenen Klarheit festgestellt hat: "Alle wissen - Autor, Zuschauer und die Figuren auf der Bühne -, dass es das wahre Männerregiment nur in Padua gibt und nicht im wirklichen Leben, und selbst in Padua haben zum Schluss die Frauen das Sagen."

Padua ist in Michael Helles wunderbarer Inszenierung in der Werkstatt ein großer, heller Raum: Spielwiese und Arena zugleich. Dort buhlen mehrere Herren um die Gunst der schönen Bianca (Jessica Higgins); sie trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Got to be bad". Doch haben die Freier erst Chancen auf eine Heirat, wenn Biancas ältere Schwester Katharina unter der Haube ist. Da liegt das Problem, sie gilt als schwierig, als "Luderweibsbild" mit bösem Maulwerk, wie es in Frank Günthers zupackender Übertragung heißt.

Auftritt Petruchio (Ralf Drexler), ein Edelmann aus Verona, der ohne Hemmungen, ja ohne persönliche Bekanntschaft es auf sich nimmt, Katharina zu seiner Frau zu machen; zu einer fügsamen Frau, versteht sich. Helles schlanke und dynamische Regie präsentiert das Stück in hundert pausenlosen Minuten.

Es ist sehr physisches Theater, da fliegen die Emotionen der balzenden Männerschaft und manchmal auch die Fäuste; die Frauen belassen es bei Ohrfeigen. Sie kriegen aber einiges ab, davon künden die Pflaster an ihren Beinen. Hendrik Richter (Lucentio), Stefan Preiss (Gremio) und Daniel Wiemer (Hortensio) sind die Gockel auf dem Hof, unterstützt von der listigen Dienerschaft in Person von Volker Muthmann (Tranio) und Günter Alt (Biondello).

Wolfgang Jaroschka und Bernhard Dübe vertreten die Väter-Generation, Birte Schrein gibt eine attraktive Witwe. Das Ensemble sprüht vor Spiellaune, den Schauspielern ist es erlaubt, ungehemmt und unverkrampft, ohne ironische Anführungszeichen in ihren Rollen aufzugehen. Ralf Drexlers Petruchio erscheint mit einem leisen, lebensklugen Lächeln.

Doch er kann auch anders. Erst schreit er wie ein Barbar, dann pumpt er eine Flasche Becks ab. Im verbalen Duell mit der scharfzüngigen Katharina geht er bis zur obszönen Beleidigung. Ihren Willen bricht er mit den Mitteln der Diät. Katharina muss hungern, dafür findet ihr Mann scheinbar vernünftige Argumente. "So mordet man mit Milde seine Frau", sagt Petruchio.

Drexlers Figur, einmal in der Kluft eines Bikers zu sehen, steht für die dunkle Seite des Stückes, die Helles Inszenierung herauspräpariert. Petruchios Zähmung tendiert gegen Psychoterror und Sadismus.

Nicole Kersten hat als Katharina zunächst die Hosen an. Sie ist, mit Verlaub, ein harter Hund. Brutal offen, beleidigend eloquent, furchterregend intelligent. In all ihrer dickköpfigen Selbstbehauptung wirkt sie aber nie ganz glücklich; insgeheim wartet sie auf ihren Traumprinzen. Kersten empfindet die Schmerzen, die Katharinas Zähmung verursacht, nach.

Am Ende eines ganz starken Auftritts überzeugt sie das Publikum davon, dass der Mann "dein Herr, dein Leben, dein Ernährer" sei, "dein Haupt, dein Fürst, der für dich sorgt". Kurz: "Nur eins bringt Segen: Die Hand dem Mann unter den Fuß zu legen." Da haben sie laut gelacht im Publikum: War doch alles nur Theater. Viel verdienter Beifall, für Mensch und Hund.

Karten unter anderem in den Zweigstellen des General-Anzeigers.

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