Theater Die Pathologie : Gedankenspiel à la Genet und Ionesco

Das Hausmädchen Hilda taucht nicht auf in dem Stück "Hilda" von Marie NDiaye. Die in Berlin lebende Autorin, Tochter einer Französin und eines Senegalesen, erhielt 2009 für ihren Roman "Drei starke Frauen" den wichtigsten französischen Literaturpreis "Prix Goncourt".

Bonn. Das Hausmädchen Hilda taucht nicht auf in dem Stück "Hilda" von Marie NDiaye. Die in Berlin lebende Autorin, Tochter einer Französin und eines Senegalesen, erhielt 2009 für ihren Roman "Drei starke Frauen" den wichtigsten französischen Literaturpreis "Prix Goncourt".

Im Theater Die Pathologie hat Christoph Pfeiffer NDiayes 2002 in Paris uraufgeführten Dramenerstling als absurdes Gedankenspiel über Herrschaft und Ausbeutung inszeniert. Es erscheint wie eine Umkehrung von Genets "Zofen": Die attraktive, mächtige Madame Lemarchand schafft sich in der Zofe Hilda ein Wunschobjekt, dem sie selbst immer mehr verfällt. Maren Pfeiffer thront im blau-grün schillernden Kleid auf ihrem Sessel und kauft dem unsicheren Franck seine Frau Hilda regelrecht ab.

Hinter der Maske der selbstbewussten Kleinstadt-Herrin lässt Pfeiffer die Einsamkeit der Gattin eines reichen Mannes und Mutter dreier wohlgeratener Kinder aufscheinen. Sie ist brutal dominant, feinsinnig zynisch und verzweifelt melancholisch, rabiat großzügig und würdelos verletzlich. Sie ist bewusst theatralisch bis zur Schmerzgrenze, weil Madame ihr Leben als pure Rolle auf der Gesellschaftsbühne begreift.

Hilda hat selbst Kinder, ist schön, tüchtig und vor allem sauber. Madame erzieht sie, macht sie gesellschaftsfähig, schneidet ihr die Haare und schenkt ihr ihre abgelegten Kleider. Wie eine Spinne saugt sie langsam Hildas Leben aus, bis eine leere Hülle zurückbleibt.

Ob diese bis zur Selbstaufgabe perfekte Dienerin tatsächlich existiert, bleibt fraglich. Der gedemütigte Franck - verkörpert von dem türkischstämmigen Schauspieler Aydin Isik - übernimmt ohne viele Worte zusehends die Dialogführung.

Er nutzt die Abhängigkeit der dominanten Frau von ihrem Idealgeschöpf, streicht Hildas wachsenden Stundenlohn lächelnd ein und versteckt Madame am Ende wieder wie eine Puppe unter dem Tuch, hinter dem er sie anfangs hervorgeholt hat, bevor er den Teppich für sie ausrollte.

Christoph Pfeiffers Regie vermeidet jeden vordergründigen Naturalismus; die Verortung des Dramas in Afrika wird ebenso nur angedeutet wie Hildas vermutliches Verhältnis mit dem Hausherrn. Die Hausherrin begehrt möglicherweise in Hilda, der sie sich mit zärtlicher Verachtung unterwirft, den fremden, farbigen Mann, den sie sich mit Geld gefügig zu machen sucht. Eine surrealistische Tragikomödie aus dem Geist Ionescos.

Die nächsten Vorstellungen am 19. und 20. November.

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