Lesung in Bonn Thomas Mann trifft eine alte Liebe

BONN · Manchmal hat man einfach nur Glück und erwischt die Nadel im Heuhaufen direkt beim ersten Griff. Bei der Lektüre über Thomas Mann "stolperte" der Münchner Autor Hans Pleschinski immer wieder über den Namen Klaus Heuser. "Seine große Liebe, Vorbild für den Joseph in Ägypten", erzählt er im Gespräch mit dieser Zeitung.

 Thomas und Katia Mann mit den Kindern Elisabeth und Michael 1927 auf Sylt.

Thomas und Katia Mann mit den Kindern Elisabeth und Michael 1927 auf Sylt.

Foto: DPA/PRIVAT

"Ich wollte wissen, wer das ist - und habe im Raum Düsseldorf nach Telefonnummern gesucht. Bei der ersten sagte eine junge Dame, ach, da müssen sie meinen Mann fragen - der mich wiederum an seine Tante verwies. Und die sagte: Wenn Sie etwas über die Liebe zwischen meinem Onkel und Thomas Mann wissen wollen, müssen Sie schon vorbeikommen."

Pleschinski ist nach Düsseldorf gefahren, hat den Nachlass von Heuser gesichtet - und nun mit "Königsallee" einen Roman veröffentlicht, in dem er im Jahr 1954 Thomas Mann noch einmal auf Klaus Heuser treffen lässt.

In diesem Jahr war Mann wirklich in Düsseldorf (und Tags zuvor auch in Köln), um hier aus seinem "Felix Krull" zu lesen - und um Deutschland durch seine bloße Anwesenheit wieder etwas zu rehabilitieren. Pleschinski spinnt daraus eine fabelhafte Fiktion in der Tradition von Manns "Lotte in Weimar": Der alternde Schriftsteller und der Mann, den er nie vergessen hat, landen durch Zufall im selben Hotel, dem Breidenbacher Hof. Und während Tochter Erika Mann versucht, ein Treffen zu verhindern, möchten Sohn Golo und auch Ernst Bertram, einst ein guter Freund Thomas Manns und später Nazi-Mitläufer, dies für eigene Zwecke nutzen. Das erzählt Pleschinski mit Tempo, Witz und einer wunderbar altmodischen Sprache - und fängt vor allem Lokal- und Zeitkolorit dieses sich wieder berappelnden Deutschlands plastisch ein.

Am Ende treffen die beiden allen Hindernissen zum Trotz doch aufeinander, und es kommt zu einer rührenden Szene im Park des Schloss Benrath. "Das ist eine dezente, aber totale Zuneigungserklärung." So weit die Fiktion, die aber auf Tatsachen basiert.

Heuser hatte die Familie Mann als 17-Jähriger auf Sylt kennengelernt und später in München besucht. "Es ist ja erstaunlich, dass Thomas Mann den 17-Jährigen, der ja noch kein Coming Out hatte, 'erkannt' hat." Und Pleschinskis Düsseldorfer Fundstücke belegen, dass über Jahrzehnte noch ein Briefkontakt mit Thomas Mann bestand, als Heuser schon lange in Asien lebte - er hatte NaziDeutschland verlassen, weil er es "unappetitlich und bedrückend fand".

Eine komplette Erfindung des Autors ist die zwergwüchsige Journalistin Gudrun Kückebein, die aus dem Wunsch Pleschinskis entstanden ist, "selbst ein Interview mit Thomas Mann führen zu können". Und diese Frau Kückebein stellt ihm fast schon unverschämte Fragen zu "seiner Modernität, seiner Zeitlosigkeit. Aber er behält noch seine Façon - gerade so."

Pleschinski selbst macht gerade eine ähnliche Erfahrung: "Es gibt sekundäre Fachwissenschaftler, die Thomas Manns Leichnam für sich gepachtet haben und sich davon ernähren. Und die sind gnadenlos, weil ich es wagte, ihn noch einmal zum Leben zu erwecken. Aber im Buch zitiere ich Thomas Mann passend: 'Mag sie der Teufel holen mit all ihrer bösen Philisterei'."

Hans Pleschinski, Königsallee, Verlag C.H. Beck, 389 S., 19,95 Euro. Lesung: 12. September, 20 Uhr, Buchhandlung Böttger, Bonn, Maximilianstraße 44.

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