Shakespeare-Projekt in Bonn Thomas Melle hat acht Königsdramen skelettiert und übersetzt

BONN · Der Schriftsteller Thomas Melle wird ab Freitag, 3. Oktober, dem theatralen Kongress "Save the World" seinen Stempel aufdrücken: Melle, Absolvent des Aloisiuskollegs und einer der sechs Finalisten für den Deutschen Buchpreis 2014, hat für die Inszenierung von Alice Buddeberg acht radikal gekürzte Königsdramen William Shakespeares übersetzt.

 Thomas Melle vor dem Literaturhaus in Frankfurt.

Thomas Melle vor dem Literaturhaus in Frankfurt.

Foto: dpa

Faszinierend seien für ihn bei diesem Zyklus "der Gedanke der Wiederkehr des Immergleichen in anderen Variationen, die Schleifen der Macht, die sich regelmäßig um die Hälse der Mächtigen legen", erklärt Melle dem GA.

Denn im Fall der Königsdramen sei Shakespeare ein absoluter Machtdichter: "Komplexe treten gegen Komplexe an. Die Menschen sind dabei mal trennscharf vorhanden, dann lösen sie sich wieder auf. Was bleibt, sind die Machtfelder, welche sich verschieben und die Könige, einen nach dem anderen, beiläufig zwischen sich zerreiben. Foucault als Polit-Soap, sozusagen, mit dem Massakerblut des Mittelalters dargeboten."

Für ihn als Übersetzer habe es geheißen: "Vorwärts, nicht vergessen. Es war ein Mammutprojekt, die Zeit im Nacken." Er habe die Strichfassungen von Buddeberg und Lothar Kittstein selbst weiter gekürzt, ein paar Zeilen dazugeschrieben, wo es nötig erschien, um Sachen, die weggefallen sind, wieder aufscheinen zu lassen.

"Letztlich ist es eine konsequente Skelettierung geworden, die dennoch genug sprachliches Fleisch mit sich bringt, so dass der gesamte Korpus dieses Werks uns trittfest entgegenstampft." Entstanden sei eine Verdichtung, ein großer Bogen. "Und eben jene Politsoap in Versen", so Melle. Als Leitmotive habe er "The Rise Fall, Aufstieg und Fall, das Rad des Schicksals" herausgearbeitet, die Auflösung und Konstitution des Subjekts im Licht der Macht. "Kranke Könige. Und die Erbsünde."

Shakespeare sei für ihn ein großer Figurendichter, aber auch Gebrauchsdramatiker, der für die Massen, fürs "Globe"-Theater, schrieb. "Der Lappen muss hoch, also müssen wir uns sputen. So ging es auch uns. Shakespeare als genialer Pragmatiker - so kannte ich ihn noch nicht."

Aktuell erschienen ihm, Melle, die immerneuen Formierungen der Macht, die sich über alle Individualitäten behauptet. "Wenn ich heute Frau Merkel sehe, kann ich mir im Hintergrund ein wunderbares Königsdrama vorstellen, tatsächlich. Die Frau ist pure Macht, aber eben auch nicht mehr. Sie hat ihren Königsmacher, den alten Kohl, kaltblütig abserviert, ihre Thronfolger sämtlich umstandslos gekillt." Die Person sei letztendlich aber gar nicht da. Sie verschwinde mehr und mehr hinter der Macht. "Deutschland scheint das genau so zu wollen."

Die beiden Richards interessierten ihn persönlich am meisten, "Richard II., der hamletähnliche, bipolare Zaudernde, und Richard III., das verwachsene, durch die Schule alles Bösen gegangene Monster." Wo Shakespeare reime, habe er es oft auch getan. Vor allem habe er sich um eine gegenwartsnahe, aber auch zeitlose Sprache bemüht, eine überformte, stilisierte Sprache, die dennoch konkret bleibe, so wie auch Shakespeare konkret sei.

"Lieber den verständlichen Satz als noch einen Schnörkel. Wenn ich heute Thomas Brasch lese, atmet das die Achtziger und diesen staubigen Rock 'n' Roll. Das ist meine Sache nicht", sagt Melle über den Übersetzerkollegen. Teil eins der Bonner Inszenierung werde er genau wie die Zuschauer bei der Premiere das erste Mal sehen. Er freue sich auf den "gegenwartsstarken, konturierten Zugriff" von Alice Buddeberg, "über den man sofort diskutieren wird. Das geht bei ihr gar nicht anders."

Info

Premiere "Königsdramen I" mit englischen Übertiteln im Rahmen des Festivals, Freitag, 3. Oktober, 16 Uhr, Halle Beuel.

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