"Tiepolo und das Antlitz Italiens" im Arp-Museum

Mit der Ausstellung von Gemälden italienischer Meister aus der Sammlung Gustav Rau in Rolandseck liegt Venedig jetzt am Rhein

"Tiepolo und das Antlitz Italiens" im Arp-Museum
Foto: Franz Fischer

Remagen. Unwillkürlich hält man die Luft an imitten von überlebensgroßen Wandgemälden, die in Goldtönen schimmern und durch verhaltene Grün-Akzente eine reliefartige Plastizität erhalten: 600 Jahre Geschichte einer adeligen Familie aus Vicenza umzingeln den Besucher, wichtige Protagonisten, ein Gouverneur, ein Präfekt, Generäle im Dienste Venedigs und Ippolito Porto, der 1572 Kaiser Karl V. huldigte.

Giandomenico Tiepolo, Sohn und begabter Mitarbeiter des großen Giambattista Tiepolo, hat diese Szenen mit der wunderbar lockeren, fließenden Malerei des Venezianers geschaffen.

Tiepolo gibt dem politischen Testament der Portos mit ihren Familienhelden eine feine Leichtigkeit und rekapituliert en passant und im Hintergrund der Fresken ein halbes Jahrtausend Architekturgeschichte - mit einem Augenzwinkern, denn die 1022 stattgefundene Ernennung Jacopo Portos zum Gouverneur von Vicenza zeigt im Hintergrund die erst im 16. Jahrhundert erbaute Basilika von Palladio.

Sieben mal sieben Meter misst der Eingangsraum mit den eindrucksvollen Fresken - genauso groß war der "Salone" der Patrizierfamilie Porto, die sich ihren von Palladio in Vicenza gebauten Palazzo eben mit diesen Fresken um 1757 ausmalen ließ.

Keine 150 Jahre später wurden sie auf Leinwand aufgezogen und kamen in den Kunsthandel, gelangten in die Sammlung von Eduard Simon in Berlin, gehörten dann dem Schweden Axel Wenner-Gren. Bis sie der Arzt Gustav Rau kaufte, dessen Sammlung sich jetzt zum Teil im Arp-Museum Remagen Rolandseck befindet.

Sammlung RauBis 2026 darf das Arp-Museum über 240 Werke aus der Kunstsammlung des Arztes Gustav Rau verfügen, die er nach seinem Tod 2002 dem Kinderhilfswerk Unicef vererbte. Das Arp-Museum hat im Meier-Bau eine Galerie für die Präsentationen aus der Rau-Sammlung eingerichtet. "Tiepolo und das Antlitz Italiens" macht den Anfang in der "Kunstkammer Rau", im November soll der zweite Einblick in die Sammlung folgen. Informationen: www.arpmuseum.org.Die Fresken der stolzen Familie Porto eröffnen mit 29 weiteren Werken aus fünf Jahrhunderten italienischer Malerei die erste Präsentation aus der Sammlung Rau in Rolandseck:

Die "Kunstkammer Rau" zelebriert in einem Kabinett auf taubenblauen Wänden ein Panorama, das mit Fra Angelicos Heiligem Nikolaus und dem Erzengel Michael (15. Jahrhundert) beginnt und mit Giorgio Morandis Flaschen- und Gläser-Stillleben endet (1945/1955), das man dem Zeitgenossen Hans Arp an die Seite gestellt hat.

In der blauen Kunstkammer endet die Chronologie mit dem bürgerlichen Porträt eines jungen Mannes von Pompeo Girolamo Batoni (1779). Das hier aufscheinende Menschenbild der Aufklärung lässt sich rückwirkend mit anderen Werken der Sammlung vergleichen, die gerade, was das angeht, sehr große Qualitäten hat.

Das lässt sich in den schematischen Gesichtern der Heiligen vor Goldgrund auf dem Flügel eines Florentiner Altars aus dem frühen 15. Jahrhundert ebenso ablesen wie etwa auf dem zauberhaften, nur wenige Jahrzehnte später entstandenen realistischen Madonnenrelief in Marmor des Antonio Rosselino - auch er ein Florentiner.

Im Kontrast dazu steht die eher liebliche Malerei aus Perugia. In der Kunstkammer hängt eine Madonna mit Kind, umringt von Seraphim aus der Werkstatt des Pietro Perugino. Einer der Stars ist der Bologneser Guido Reni, dessen Bild "David, Goliath enthauptend" (1606-1607) eine packende Inszenierung ist, die an "action", koloristischen Schauwerten und malerischer Akkuratesse nichts zu wünschen übrig lässt.

Von Bologna geht es in den Süden, nach Neapel: Dort spürt die Ausstellung "Das Antlitz Italiens" den Erschütterungen nach, die Caravaggio in die Welt der Malerei brachte. Ein Bild wie "Joseph und Potiphars Frau" von Giovanni Battista Caracciolo lässt, was die Dramatik und suggestive Lichtführung betrifft, erahnen, wie Caravaggio die Kollegen aufrüttelte.

Das gilt auch für den Franzosen Simon Vouet, einer der "Gastarbeiter" der Schau, der in Venedig und vor allem Rom geprägt wurde. Auch der große Jusepe de Ribera aus Valencia fand in Italien, in Neapel, seinen Lebensmittelpunkt: In der Ausstellung ist sein Hieronymus zu sehen, eine faszinierende Studie des Alters.

Die Kunstkammer brilliert aber nicht nur mit Antlitzen wie der herrlich zarten "Allegorie der Musik", gemalt von der Bologneserin Elisabetta Sirani. Die Ansicht des Markusplatzes, zwischen 1740 und 1750 in geradezu fotorealistischer Manier von Canaletto gemalt, ist ein Meisterwerk, das alleine schon den Weg nach Rolandseck lohnt.

Und dann sind da noch eine Reihe von Stillleben, die die ganze Bandbreite italienischer Kunst und Lebensart zelebrieren: Giuseppe Reccos saftiges, überbordendes barockes Bild schillernder Fische auf der einen Seite und die erdig-schrundigen Pilze in Halbdunkel von Simone del Tintore aus dem toskanischen Städtchen Lucca auf der anderen. Von dort ist Bologna nicht weit: Da malte der Asket Morandi seine Flaschen und Gläser - 800-fach. Eines seiner besonders schönen Bilder hängt jetzt neben Arp.

Arp-Museum Bahnhof Rolandseck; bis 22. November. Di-So 11-18 Uhr. Katalog (DuMont) 28 Euro.

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