Kölner Philharmonie Tim Bendzko gibt den geschmeidigen Entertainer

Köln · Rund 2000 Gäste lauschten Tim Bendzko in der ausverkauften Philharmonie. Verglichen mit seinen Alben präsentierte sich der Sänger bei seinem Konzert jedoch kraft- und farbloser, findet unser Reporter.

 Er weiß, wie er sein Publikum glücklich machen kann: Tim Bendzko in der ausverkauften Kölner Philharmonie.

Er weiß, wie er sein Publikum glücklich machen kann: Tim Bendzko in der ausverkauften Kölner Philharmonie.

Foto: Thomas Brill

Als der viel zu früh gestorbene Willy DeVille den irischen Grantler Van Morrison beim Jamboree-Festival 2000 in Köln traf, wollte er ihre stimmlichen Fähigkeiten jovial herunterspielen: "Van, wir wissen beide, dass wir nicht Pavarotti sind!" Worauf er vom Iren die gallige, aber durchaus zutreffende Antwort erhielt: "Pavarotti. Ja, und? Ich bin anders!" Die Angst vor großen Vorbildern muss Tim Bendzko ähnlich couragiert beiseite geschoben haben, als er sich entschied, für seine "Wohnzimmerkonzerte" die Kölner Philharmonie auszuwählen. Wer geglaubt hatte, dass er im Konzertsaal seinen poetischen Stücken das ganz Einmalige, Besondere abgewinnen könne, der sah sich getäuscht. Verglichen mit seinen Alben war seine gefühlige, stets leicht klagende Stimme kraft- und farbloser. Vielleicht lag es einfach nur am Mixer, dass die gute vierköpfige Band ihn zum Teil übertönte und bis auf wenige Momente kaum mehr als flauschige Hintergrundmusik zu schaffen vermochte.

Das schien die 2000 Besucher in der ausverkauften Philharmonie nicht sehr zu stören. Auffällig viele Eltern waren mit ihren Kindern gekommen. Seit seiner Freizeittätigkeit als Coach von "The Voice Kids" können neben jungen Mädchen auch Papa und Mama den netten Jungen aus Berlin begeistert feiern. Der gibt den launigen, freundlichen Crooner, sucht sich Anke aus dem Publikum aus, die sich neben ihn auf den 60er-Jahre- Couchstuhl setzen darf. "Was machst du Anke?" "Nichts Aufregendes!" "Ja, so geht es mir auch, alles langweiliges Zeug, ich muss gerade noch die Welt retten!" Geschmeidig findet Bendzko die Überleitung zum nächsten musikalischen Programmpunkt. Das Publikum jubelt.

Der Abend zieht sich über zwei Stunden in einer Mischung aus freundlich-pfiffiger Günther- Jauch-Moderation und samtenem deutschen Pop. Einmal, als ein weiblicher Fan laut darum bittet, auch auf die Bühne zu können, gleitet eine spontane Äußerung aus dem Fahrwasser wohltemperierter Gefälligkeit: "Ja, komm einfach zum nächsten Konzert - am besten nackt." So viel entblößende Ironie traut man dem ehemaligen Theologiestudenten gar nicht zu. Tim Bendzko trifft mit seinem smarten Soul-Pop, der Gefühligkeit und dezente Zeitkritik in schöne Bilder zu packen weiß, den Nerv der Zeit für ein Publikum, das trotz auffälliger Unauffälligkeit nicht bereit ist, jeden angesagten Blödsinn mitzumachen. Zum Ende will der große Junge aus Berlin zeigen, dass er kein Mann für die Schublade ist.

Dazu wählt er ein Stück des nur in Insiderkreisen bekannten Christian Steiffen. "Ich fühl mich Disco" soll Grenzen überschreiten, klingt aber wie Bendzko. Hätte er ernsthaft die Grenzen des Publikumsgeschmacks testen wollen, wäre der Steiffen-Titel "Sexualverkehr" besser geeignet gewesen: "Meine Freundin hat mit mir Schluss gemacht. Es ist schon ein paar Wochen her. Und jetzt sehn' ich mich so sehr nach Sexualverkehr!" Aber das will der nette Tim seinem Publikum denn doch nicht zumuten.

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