Stadtführung der Werkstatt Baukultur U-Bahnhöfe in Bonn erinnern an Raumschiffe

BONN · Unter der Erde in einem Raumschiff auf Zeitreise in die 70er Jahre gehen - das klingt nach purer Science Fiction. Rund 40 Teilnehmer der Stadtführung der Werkstatt Baukultur konnten jetzt genau das erleben.

Ein Jahr vor Erscheinen von Stanley Kubricks Klassiker "Odyssee im Weltraum" gebaut: Die U-Bahnstation "Uni/Markt".

Ein Jahr vor Erscheinen von Stanley Kubricks Klassiker "Odyssee im Weltraum" gebaut: Die U-Bahnstation "Uni/Markt".

Foto: Barbara Frommann

Unter fachkundiger Leitung von Martin Bredenbeck und Sebastian Bank vom kunsthistorischen Institut der Uni Bonn unternahmen sie einen Ausflug in die Bonner U-Bahn-Stationen vom Hauptbahnhof bis zum Juridicum, um die alltäglichen Räume einmal ganz anders zu betrachten.

Was sie entdeckten, waren lange Gänge mit knalligen Farben und technischer Ästhetik: Quer abgehängte, maschinell wirkende Leuchten an einer gewölbten Decke, farbige Steinzeugfliesen an den Ein- und Ausgängen, Schalensitze und Vitrinen mit den typischen abgerundeten Kanten.

Und immer wieder die für die Epoche typischen Metallpaneele, wie sie an zahlreichen Gebäuden aus den 60er und 70ern wie dem Stadthaus oder der Südüberbauung zu finden sind. "Die Stationen wurden mit ganz wenigen Grundelementen entworfen, die immer wieder aufgegriffen wurden und sich nur in der Farbgebung unterscheiden", erklärte Bredenbeck.

"Eigentlich fehlen nur noch Armaturen mit Blinklichtern und es sehe aus wie in einem Raumschiff." Tatsächlich dürfe man annehmen, dass die Architekten, allen voran Alexander Freiherr von Branca, der für das Set von Stationen in der Stadt-Mitte verantwortlich ist, Anleihen in Science-Fiction-Filmen dieser Zeit gefunden haben, so Bredenbeck. Die Entscheidung für die sogenannte Unterpflasterbahn wurde 1967 getroffen.

Ein Jahr später erschien der stilbildende Film "Odyssee im Weltraum" von Stanley Kubrick. Charakteristisch sei die Modulbauweise, die in den U-Bahn-Stationen angewandt wurde. "Dies war keine Notlösung, sondern ein ästhetisches Element." Die Architekten haben damals funktional, ressourcenschonend und nachhaltig geplant. Einzelne Teile seien so problemlos austauschbar und leichter zu reinigen - ein Grund dafür, dass die Stationen wenig Spuren von Vandalismus oder Verfall tragen.

Die Teilnehmer erfuhren aber auch, dass die Architektur der 70er Jahre, so sehr sie auch zusammenhanglos erscheinen mag, durchaus in kunstgeschichtlichen Traditionen steht. Runde Säulen, Teilungen in Vorraum und Hauptsaal finden sich als klassisches Element ebenso wie Treppengänge, ähnlich zur Bauweise in barocken Schlössern, die den Nutzer zu Drehungen zwänge.

Vom Abriss der vielen Zeugnisse der heute umstrittenen 70er-Jahre-Architektur in Bonn hält Bredenbeck nichts. "Die Architekten haben bei der Gestaltung durchaus zeitgenössische Ideen und Werte einfließen lassen." Statt die Bauwerke abzureißen, plädiert er dafür, die Bauwerke unter Denkmalschutz zu stellen.

Die Werkstatt Baukultur ist eine freie studentische Kulturgruppe des Instituts für Kunstgeschichte und anderer Fächer. Kostenlose Führungen zu besonderen Bauwerken finden jeden Samstag statt. Programm und weitere Informationen unter www.baukultur-bonn.de.

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