Umjubelte Aufführung von "Nathan der Weise" im Kleinen Theater

In ihrer neuen Inszenierung im Kleinen Theater Bad Godesberg erlaubt sich Regisseurin Stephanie Jänsch am Schluss einen deutlichen Zweifel an der allgemeinen Versöhnung.

Umjubelte Aufführung von "Nathan der Weise" im Kleinen Theater
Foto: Kleines Theater

Bonn. Zweifellos sind diese Toleranzgedanken seit langem zu liberalen Banalitäten geworden", schrieb der Franzose Théophile Gauthier 1856 zu einer Aufführung von Gotthold Ephraim Lessings letztem Theaterstück "Nathan der Weise". Aber man solle den Autor dafür loben, dass er "seinen Gegenstand nicht mit Bitterkeit versetzte".

In ihrer neuen Inszenierung im Kleinen Theater Bad Godesberg erlaubt sich Regisseurin Stephanie Jänsch am Schluss einen deutlichen Zweifel an der allgemeinen Versöhnung. Während das islamische und das christliche Geschwisterpaar selig den Sternenhimmel betrachten, schaut der Jude Nathan nach vorn. Seine schöne Vision vom friedlichen zivilisierten Umgang miteinander ist nicht Wirklichkeit geworden, wie die Nachrichten aus dem 21. Jahrhundert beweisen.

Mit Bitterkeit versetzt wird Lessings ernste Komödie ansonsten nicht. Die "silberne Abstraktheit" (Friedrich Dürrenmatt) ist sorgfältig verankert in einer geistreich und zugleich erfrischend pathosfrei präsentierten Geschichte. Die Aufführung bewahrt das naiv Märchenhafte, umspielt humorvoll die Grenzen der Utopie und stellt den Wert gelebter Menschlichkeit ganz nach vorn.

Die Blankverse des "Dramatischen Gedichts" dürfen sich in schlichter Klarheit entfalten. Jedes Wort ist verständlich in der Strichfassung von Karl-Heinz Stroux, die bereits der Inszenierung am Kleinen Theater vor zehn Jahren zugrunde lag. Damals war Stephanie Jänsch hier Regieassistentin; inzwischen hat sie etliche Stücke auf die Bühne gebracht. Prinzipal Walter Ullrich hat ihr deshalb seinen neuen "Nathan" anvertraut, mit dem er einen Tag nach der Vollendung seines 80. Lebensjahres eine umjubelte Premiere feierte.

Das schöne Bühnenbild von Charles Copenhaver mit Ruheplatz unter einer zerzausten Palme und drehbaren Architekturelementen erlaubt schnelle Schauplatzwechsel in Lessings fiktivem Jerusalem des späten 12. Jahrhunderts, in dem Juden, Christen und Muslime in einem fragilen Frieden zusammenleben.

Der Kaufmann Nathan ist frei von allen Überzeugungszwängen. Walter Ullrich spielt die Titelrolle mit heiterer Gelassenheit. Ein Weltbürger, der mit freundlicher Ironie all die "Wunder" betrachtet und sie auf die Logik menschlichen Verhaltens zurückführt. Die berühmte Ringparabel erzählt er mit der klugen Nachsicht dessen, der allen Wahrheitsfallen gewachsen ist. "Kein Mensch muss müssen", erklärt er lächelnd dem aufgeregten Derwisch (als energischer Wirbelwind: Peter Nüesch).

Es ist das "Ich will", mit dem er im schrecklichsten Moment seines Lebens, als Christen seine ganze Familie auslöschten, sein Schicksal annimmt. Ullrich gestaltet die Hiobsszene mit leiser Eindringlichkeit, die unter die Haut geht.

Ingo Heise ist der trotzige junge Tempelherr, der in seiner Gefühlsverwirrung den verehrten Nathan in Gefahr bringt. Lothar Didjurgis spielt den hageren Patriarchen im feuerroten Gewand (Kostüme: Sylvia Rüger), der den Juden brennen sehen will. Manfred Molitorisz gibt den Sultan Saladin, der verschenkt, was er seinem Volk abgepresst hat. Ein selbstbewusster Herrscher mit spielerischer Distanz zur Macht, den seine gescheite Schwester Sittah (Susann Fabiero) gelegentlich zur Raison bringen muss.

Ein einfaches Gemüt mit moralischem Rückgrat ist der alte Klosterbruder (Theo Gündling). Als Erzkomödiantin glänzt Ursula Michelis in der Rolle der Daja, die ihr Christentum ebenso beharrlich wie bestechlich herumträgt. Ihren Schützling, Nathans Ziehtochter Recha, spielt Anna Julia Kapfelsperger entzückend mädchenhaft.

Für das homogene Ensemblespiel um Serenissimus Ullrich gibt es am Schluss Ovationen. Er und sein Team präsentieren diese Commedia humana sehr lebendig mit hohem Respekt vor dem Werk und fein geschliffenem Witz.

Weitere Vorstellungen bis zum 2. März fast täglich um 20.00 Uhr. Kartenbestellungen (etliche Termine sind bereits ausverkauft) unter Tel. (02 28) 36 28 39.

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