Konzerte in Köln Umjubelte Auftritte von 2raumwohnung und Texas

KÖLN · Für viel Jubel sorgten zwei Konzerte in Köln: Während das Berliner Duo 2raumwohnung um Frontfrau Inga Humpe im E-Werk auftrat, rockte Texas die Live Music Hall.

 Furiose Mischung: Sharleen Spiteri von "Texas" ist nicht zu bremsen.

Furiose Mischung: Sharleen Spiteri von "Texas" ist nicht zu bremsen.

Foto: DPA

2raumwohnung im E-Werk

"Super geht's", ruft Inga Humpe, Frontfrau des Berliner Elektro-Pop-Duos 2raumwohnung, nach "Sexy Girl" ins begeistert applaudierende Publikum im ausverkauften Kölner Gloria. Das antiquiert anmutende "super", und nicht etwa "geil", kommt als Attribut mehrmals zum Einsatz und verrät, dass trotz Lolita-Laszivität in der Stimme das einstige Neonbaby der NDW nicht mehr zu den ganz Jungen gehört.

Seit 12 Jahren bewohnt die 53-Jährige mit Tommi Eckart, ihrem Partner fürs Leben und die Musik, die gemeinsame 2raumwohnung. Sieben Alben haben sie in der Zwischenzeit vorgelegt, das aktuelle, "Achtung fertig", kam im September auf den Markt. Für die Konzerte haben Humpe und Eckart zwei musikalische Untermieter, darunter Malakoff Kowalski, für Gitarre/Keyboard und Schlagzeug/Bass aufgenommen.

Mit "Ein neues Gefühl" gibt es die erste Kostprobe aus "Achtung fertig". Es klingt nicht wirklich neu, Humpes typisch sehnsuchtsvolle Stimmfärbung trifft auf gefällige elektronische Dance-Rhythmen. Wenn sie aber von Gefühlen singt, dann ist sie doch authentisch, eine Kindfrau, die sich eine bauchgefühlige Spontaneität bewahrt hat.

"Bei Dir bin ich schön", der nur vordergründig an den Hit der Andrew Sisters erinnert, geht um das Begehrtwerdenwollen in den Augen des Liebsten. Viel Jubel gibt es auch für ältere Lieder wie das "Freundinnen-Lied", "Ich und Elaine", "Wir trafen uns in einem Garten" sowie den Sommerhit "36 Grad".

Gelegentlich schwimmt 2raumwohnung auch mal gegen das moderne Lebensgefühl der Jungen. "Ich mag's genau so" ist ein sinnliches Plädoyer für das Innehalten, für die Fähigkeit, auch dem Status quo etwas Genussvolles abgewinnen zu können. Jubelnder Applaus für ein "Super"-Konzert, das zwar nicht ohne Pop-Oberflächlichkeit auskam, letztlich aber gute Laune verbreitete, der man sich nicht schämen musste.

Texas in der Live Music Hall

Wenn alle gelernten Friseurinnen so singen könnten wie Sharleen Spiteri, würde man, ernsthaft, erwägen, sich dreimal am Tag die Haare schneiden zu lassen. In der Kölner Live Music Hall zeigt die 45-jährige Frontfrau der schottischen Band Texas am Mittwochabend, dass sie noch immer eine der besten, erotischsten und modulationsfähigsten Rock/Pop-Stimmen hat, die man derzeit live erleben kann. 800 Fans zollen dieser Leistung frenetischen Beifall.

Spiteri, die ganz klassisch in Weste, Bluse und Hosenanzug gewandet die Bühne betritt, straft das damenhafte Outfit vom ersten Moment an Lügen - so wie die Sängerin über die Bühne tobt, könnte man glauben, dass hier gerade eine Rückkehr in die Freiheit zelebriert wird.

In der Tat haben Texas, die sich einst die Hälfte eines Filmtitels von Wim Wenders ("Paris Texas", 1984) zum Namensgeber erkoren, mehrere Jahre lang pausiert, um sich Mitte Mai 2013 mit ihrem neuen Studioalbum "The Conversation" zurückzumelden. Zwölf Stücke, darunter das grandiose Titelstück, knüpfen nahtlos an alte Erfolge an. In den 1990ern waren Texas-Platten wie "Rick's Road" (1993), "White On Blonde" (1997) oder "Hush" (1999) Megaseller.

In 90 Minuten serviert die 1986 in Glasgow gegründete Combo eine furiose Mischung aus fast einem Vierteljahrhundert Musikgeschichte. Angefangen mit "Everyday Now", das bereits 1989 auf einer EP vor der gleichnamigen Debütscheibe erschien, über Meilensteine wie "So Called Friends" (1993), einem Stück, das Titelsong der TV-Serie "Ellen" wurde, Hits wie "Black Eyed Boy" und "Say What You Want" (beide von 1997) und Krachern wie "Summer Son" (1999), bei denen das Publikum schier ausrastet, bis hin zu wunderbaren Neukompositionen wie "If This Isn't Real" oder "Dry Your Eyes", die glasklar machen, warum Texas es einfach draufhaben.

Die Frontfrau mit dem markanten, blassen Gesicht unterm dunklen Fransenhaarschnitt präsentiert sich in Flirtlaune und erfreut die Fans mit neckischen deutschen Sentenzen: "Ich liebe dich, mein Liebling!". Dass sie überdies, ebenfalls in der Sprache ihrer Gastgeber, von eins bis zehn zählen kann, ist dagegen bloß eine hübsche Kapriole.

Wenn um 21.48 Uhr aus ihrer Kehle die stimmgewaltig-leidenschaftliche Willensäußerung "I Don't Want A Lover (I Just Need A Friend)" erklingt, wird die Live Music Hall endgültig zum Rockpalast. Dass dieser großartige Abend nicht ohne Zugaben zu Ende gehen darf, versteht sich von selbst.

Mit "The Conversation" und "Inner Smile" (2000) legt Spiteri gut vor, ehe sie mit dem Ike & Tina Turner-Cover "River Deep, Mountain High" den letzten Beweis dafür abliefert, dass sie sich nicht nur was traut, sondern auch was kann. In dem Moment denkt man darüber nach, sich sogar viermal am Tag die Haare schneiden zu lassen. Ernsthaft.

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