Und heute Abend steh' ich hier

Brel-Abend im Euro Theater Central in Bonn - Chansons von Liebe, Freiheit und Krieg

Bonn. Die Lieder des Belgiers Jacques Brel, der 1978 mit 49 Jahren an Lungenkrebs starb, waren mehr als poetisch durchgeformte kleine Balladen: Sie erzählten einen Lebensversuch. Johannes K. Prill hat genau das zum Leitfaden seines Chanson-Abends - "Und heute Abend steh'' ich hier" - gemacht, den er im Euro Theater Central vorstellte.

Mit den heiter melancholischen, Heutiges mit den Sehnsüchten der Aufbruchsgeneration des vergangenen Jahrhunderts vermischenden Texten von Oliver Eichert assoziiert er den Chansons eine ganz eigene Biografie, die Lebensstationen durchläuft.

Das beginnt mit den ersten Enttäuschungen der Kindheit, arbeitet sich durch die Illusionen von Liebe, Freiheit, Krieg und Einsamkeit bis zu den "Dies irae"-Klängen des noch vorläufigen Treffens mit dem Tod, und endet doch mit dem Traum von der Südsee-Sonne auf den Marquesa-Inseln, wo Brel seit 1975 seinen frühen Lebensabend verbrachte.

Prill spielt nicht den Star Brel, sondern in dessen Sinn einen normal zu kurz Gekommenen. Er versucht gar nicht erst, Brels markant rollendes "R" oder seine emphatischen Gesten nachzuahmen, sondern singt dessen literarisch verknappte Meisterstücke - natürlich auf französisch - mit dem präzisen Wortgewicht, das seiner leichtgewichtig sonoren Stimme den Charme gibt, den diese gelebten Miniaturen brauchen.

Der Pianist Joachim M. Jezewski begleitet ihn dabei so sensibel, dass auch das Ungesagte musikalisch zur Sprache kommt. Vergnüglich ist das, wenn die beiden in "Ces gens là " den ''ordentlichen'' Kosmos der Kleinen Leute bitter ironisieren.

Zu großer Form läuft Prill auf, wenn er in "La valse à mille temps" vom schwebenden Walzer-Dreivierteltakt zähneknirschend zum marschierenden Viervierteltakt schwenkt und den dann im Taumel von tausend Takten witzig abdrehen lässt.

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