Und Papa war ein Stasi-Spitzel

"Buena Vista Social Club" stand Pate: Alter schützt vor Rhythmus nicht - Im Bonner Brückenforum sorgen die "Funk Brothers" und ihre Gäste für reichlich Stimmung

  "I am a funk cousin":  Billy Preston im Brückenforum

"I am a funk cousin": Billy Preston im Brückenforum

Foto: Müller

Bonn-Beuel. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Riesenerfolg von "Buena Vista Social Club" weitere, grauhaarige Musiker inspirieren würde, durch multimediale Hilfe noch einmal gutes Geld zu verdienen.

Im letzten Jahr traten die Nachfolger auf den Plan: Der Film "Standing in the shadows of Motown" porträtierte die Studiomusiker des amerikanischen Motown-Labels, die in den Sechzigern und Siebzigern Soul-Hits in Akkordarbeit schrieben.

Diese selbst ernannten "Funk Brothers" sind nun ebenfalls berühmt und spielten im Brückenforum ihre größten Erfolge wie "My Girl" und "Stop in the name of love".

Die sechs originalen "Brüder" saßen in knallroten Jacketts auf der Bühne, umrahmt von zehn erfahrenen Begleitmusikern. Um das richtige "Funk-Feeling" brauchte man sich angesichts dieser geballten Professionalität keine Sorgen zu machen.

Den Großteil der Vocals übernahmen Carla Benson und Jonny Ingrim, langjährige Backgroundsänger und Stimmungskanonen. Jonny machte auf Casanova ("Are there any single ladys tonight?") und bestellte junge Frauen zum Tänzchen auf die Bühne.

Carla interpretierte mit ihrer Soulstimme "Grape Vine" ebenso atemberaubend wie das gefühlvolle "What becomes of the brockenhearted". Immer wieder übernahm Tamburinspieler Jack Ashford die Moderation und erzählte witzige Anekdötchen aus der Studiozeit.

Joe Hunter, mit 76 Jahren der Älteste auf der Bühne, schmunzelte selig beim Keyboardspiel. Großer Applaus, als der erste "special guest, a living legend" ankündigt wurde: Billy Preston betrat die Bühne als Ersatz für den ausgefallenen Isaac Hayes, sang und klimperte drei Soul-Nummern mit sichtlicher Freude.

"I am a funk cousin", adelte er sich dannach selbst. Zweiter "special guest" war der Hamburger Soulsänger Stefan Gwildis, der seine (etwas irritierende) deutsche Version von "Papa was a rolling stone" vorstellte, in der sich Vati nach dem Mauerfall als Stasi-Spitzel entpuppt und aus Angst vor den Nachbarn schleunigst die Familien-Wohnung verlässt.

Die Background-Sänger hatten den deutschen Chorus zwar rührend eingeübt, retteten die Nummer dadurch aber auch nicht. Zum Glück gab es noch Steve Winwood als Trumpf im Ärmel der Funk Brothers: Der sympathische Sänger, Gitarrist und Pianist ("Traffic" und "Blind Faith") ließ die Stimmung bei "Shotgun" im gefüllten Saal wieder anständig aufkommen.

"Ain`t no mountain high enough" wurde am Ende des dreistündigen Konzerts in bester "Buena Vista"-Manier den bereits gestorbenen Brüdern aus dem Funk-Clan gewidmet.

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