Unterwegs nach Timbuktu: Kunst-Nomaden in der Bonner ifa-Galerie

Siliconwaltz, Schrift-Narben und ein fiktives Wohnzimmer erwarten die Besucher - Künstler blieben zum Teil unter ihren Möglichkeiten

Unterwegs nach Timbuktu: Kunst-Nomaden in der Bonner ifa-Galerie
Foto: Fischer

Bonn. Das Leben ist ein einziges Kinderfest. Jedenfalls für Andrej Chlobystin, Hauptvertreter der Petersburger Avantgarde, Reisender in Ausstellungen, künstlerischer Grenzgänger und Schöpfer anarchischer Inszenierungen, ist das so.

Ein Jammer nur, dass sein für die ifa-Galerie mit verstreutem Kinderspielzeug arrangiertes und unscharfen TV-Bildern animiertes Ensemble weniger den kreativen Wildwuchs eines Kinderfestes verströmt, denn an eine ziemlich öde Party erinnert.

Thema der aus der Berliner ifa-Filiale übernommenen Gruppenausstellung ist das Nomadentum in der Kunst; poetischer Titel: "Unterwegs nach Timbuktu", teilweise, doch folgenlos angeregt von einem zauberhaften Buch von Paul Auster.

Die willkürlich anmutende Auswahl von elf Künstlern liegt in der Person des Pragers Robert W. Novák begründet, der als Künstler nicht nur das Entree der ifa-Galerie bespielt, sondern als Kurator Weggefährten und Bekanntschaften als künstlerische Statisterie für seine These vom Nomadentum aufruft (ohne seine Auswahl jedoch transparent zu machen).

Novák, der im Katalog seine Nesselsucht öffentlich bekennt, zeigt unter dem Titel "Epidermis" Schrift-Narben auf seiner Haut, ventiliert ansonsten recht platt den McDonalds- und Microsoft-Imperialismus. Zum Thema Globalisierung hat man Originelleres gesehen.

Teilweise inspirierter zeigt sich das inhomogene Feld der Mitstreiter. Der Chinese Song Dong hat die Welt bereist, sich an den touristischen Brennpunkten fotografieren lassen und die Fotos dann vor laufender Kamera angezündet. Seine E-mail-Korrespondenz mit dem Kurator der Timbuktu-Schau veröffentlicht der Kroate Igor Grubic.

Das Duo Esteban Alvarez und Tamara Stuby (beide leben in Argentinien) lädt in sein fiktives Wohnzimmer ein, das Projektionsfläche für Häuserträume und mobile Hülle zugleich ist, ein Rätsel aus Flugticket, Aufenthaltserlaubnis, Reisewecker und weißem Zauberwürfel.

Ihren Spaß haben Hadas Kedar (Tel Aviv) und Alex Schady (London) beim Aufbau ihrer gemeinsamen Multimedia-Installation - einer bemühten Fleißarbeit mit Nägeln, viel Schnur, Video und Pappkartons - in Bonn gehabt, sagen sie.

Weit unter ihren Möglichkeiten bleibt auch Esra Ersen, die mit ihrem ironisch-politischen Biss Star der Türkei-Ausstellung im Kunstmuseum (2000) war.

Das aus einer Fotoserie bestehende ifa-Werk "Europa" mit der Künstlerin im Kornfeld bearbeitet Themen wie Anonymität des Ortes oder austauschbare Identitäten, wählt dabei ein Idiom, das in die Welt der Werbung passt.

Zum Tänzchen wird der Ausstellungsbesucher mit der Videoarbeit "Siliconwaltz" des Rumänen Szabolcs KissP l aufgefordert: Zwei Tänzer kreisen auf der Projektionswand, jeder für sich, umringt von einem Kamerateam.

Was hier sehr poetisch und in apartem Schwarzweiß vorgeht und nur durch Gläserklirren gestört wird, wiederholt sich in der gesamten Schau "Timbuktu": Jeder kreist um sich selbst und alle um den Nabel des Kurators.

Ifa-Galerie, Willy-Brandt-Allee 9; bis 22. Dezember. Di-Fr 12-18, Sa, So 12-17 Uhr

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