Beethovenhalle Bonn Ural Philharmonic Orchestra und Bamberger Symphoniker

BONN · Ural Philharmonic Orchestra. "Jedes Mal, wenn ich es höre", sagt Marilyn Monroe im "Verflixten 7. Jahr", "reißt es mich in Stücke. Ich fühle Gänsehaut am ganzen Körper." Gemeint ist das 2. Klavierkonzert von Sergei Rachmaninow. Die Zuhörer in der Beethovenhalle riss dieses Konzert mit dem verflixt guten Pianisten Boris Berezovsky vielleicht nicht in Stücke, aber auf jeden Fall aus den Sitzen.

 "Rach 2": Das Ural Philharmonic Orchestra mit Boris Berezovsky am Flügel.

"Rach 2": Das Ural Philharmonic Orchestra mit Boris Berezovsky am Flügel.

Foto: Barbara Frommann

Das galt im Übrigen für das gesamte Programm mit dem erstmals beim Beethovenfest gastierenden Ural Philharmonic Orchestra aus dem gut 4000 Kilometer entfernten Jekaterinburg. Dirigent Dmitri Liss, ganz geballte Leidenschaft am Pult, präsentierte ein Ensemble, das es mühelos mit den großen Namen des Musikmarktes aufnehmen kann.

"Aus russischer Seele" hatte das Festival diesen Abend betitelt, der erstaunlicherweise besonders schnell ausverkauft war. Und nach der einleitenden, eher selten zu hörenden Beethoven-Ouvertüre "Zur Namensfeier", bei der die Philharmoniker aus Jekaterinburg schon einmal eine kleine Kostprobe ihres satten Klangs gaben, ging es denn auch absolut russisch zu, mit dem besagten "Rach 2" und der 6. Sinfonie von Peter Tschaikowsky.

Die hatte alles, was sie denn unwiderstehlich macht: Düsternis und Erregtheit im ersten Satz mit einem geradezu herzzerreißend warm gespielten zweiten Thema, ein nicht zu leicht genommenes, walzerähnliches Allegro, einen schlichtweg in die virtuose Raserei getriebenen Marsch und ein schmerzlich-schönes Finale.

Was Dirigent Dmitri Liss, der jetzt seit 18 Jahren das Ural Philharmonic Orchestra leitet, aus diesem Ensemble gemacht hat, ist aller Bewunderung wert. Diesen glühenden Klang, diese dynamische Spannbreite, dieses absolut hingebungsvolle Musizieren wird man so schnell nicht vergessen.

Mit dem Pianisten Boris Berezovsky hat man alle Rachmaninow-Konzerte eingespielt - man kennt sich also. Berezovsky selbst gehört zu jenen Ausnahme-Pianisten, denen die Technik keine Grenzen aufzeigt. Auch in den aberwitzig schwierigen Episoden des zweiten Rachmaninow-Konzerts kommt bei ihm nie Hektik auf, Gelassenheit und Ekstase gehen eine wunderbare Verbindung ein.

Dirigent, Orchester und Solist haben Sinn für die weit ausschwingende Melodik Rachmaninows, sie breiten den Ideenreichtum des Konzerts genüsslich aus. Statt einer Solo-Zugabe durfte man die letzten drei hymnischen Rachmaninow-Minuten noch einmal hören - keine schlechte Wahl.

Und erst nach drei Zugaben ließ das Publikum die russischen Orchestergäste von der Bühne. "Russische Seele" war auch hier dabei: mit der dunkel eingefärbten Elegie aus Tschaikowskys Streicherserenade und seinem wirbelnden "Tanz der Narren" aus "Schneeflöckchen". In Hochglanz-Version gab's schließlich noch Johannes Brahms' Ungarischen Tanz Nr. 6 - alles klingende Argumente, dieses Orchester unbedingt wieder einzuladen. Ulrich Bumann

Eine Aufzeichnung des Konzerts ist am 9. Oktober um 20.05 Uhr auf WDR 3 zu hören.

Bamberger Symphoniker. Dass die Bamberger Symphoniker ihre Residency beim Beethovenfest mit einer Kombination aus Witold Lutoslawskis dritter und Beethovens fünfter Sinfonie starten, ist kein Zufall: Erstens muss der 100.

Geburtstag des 1913 in Warschau geborenen Komponisten gefeiert werden, zweitens hat dieser selbst auf den Einfluss Beethovens hingewiesen: "Die Form der dritten Symphonie", so der 1994 verstorbene Lutoslawski, "ist das Ergebnis meiner langjährigen Erfahrung als Musikhörer, speziell der groß angelegten Symphonie... Beethoven wurde mir zu einem Lehrmeister in der Kunst der Musikarchitektur."

Zu Beginn des Werkes fällt zunächst einmal das aus einem vier Mal repetierten Ton bestehende Motiv auf, das sehr an Beethovens "Schicksalsmotiv" erinnert und im Laufe der Sinfonie immer wieder in Erscheinung tritt. Dann beginnt ein Episodenspiel, in dem Jonathan Nott am Pult der Bayerischen Staatsphilharmonie die Spannung durch die zwei ineinander übergehenden Sätze hindurch kontinuierlich in die Höhe schraubt - mit kleinen Atempausen.

Ein Schlachtruf des Blechs schickt die Sinfonie auf den Weg, bevor es mit einem leisen Streicherflirren und übermütigen Einwürfen von Klavier, Xylophon und Harfe ganz friedlich weitergeht. Polyphon gearbeitete Passagen mit sinnlicher Klangwirkung werden durch Eruptionen des vollen Orchesters jäh beendet; die abrupten Stimmungswechsel beziehen ihren Wow-Effekt aus der raffinierten Instrumentation und der großen Spielfreude des Orchesters.

Hin und wieder dürfen die Musiker auch machen, was sie wollen: Für die Dauer dieser aleatorischen Ausflüge lässt Nott den Taktstock sinken, bevor er dann den Faden mühelos wieder aufnimmt. Chaos und Zufall haben in diesem Werk nicht wirklich was zu sagen. Absolut präzise dirigiert der Chef der Bamberger eine sorgfältig durchkonstruierte Sinfonie, die Lust macht auf mehr Lutoslawski.

Auch nach der Pause überzeugt das Orchester in der nicht ganz voll besetzten Beethovenhalle mit einem hinreißenden Esprit und Drive, der den motorischen Impetus von Beethovens Fünfter zelebriert. Nie lässt Notts Vorwärtsdrang nach, auch nicht dann, wenn er die tiefen Streicher im Andante singen lässt oder bei der Verarbeitung des Themenmaterials Detailarbeit leistet, Stimmen und Nebenstimmen hörbar macht.

Die kraftvoll polternden Fugato-Bässe im Trio des dritten Satzes und dann die ungeheure Steigerung "durch Nacht zum Licht" sind wie alles andere frei von jeglicher Routine: Hier hat ein Orchester großen Spaß daran, einen Klassik-Hit zu entstauben und ins beste Licht zu setzen. Gunild Lohmann

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