Freitag beim Beethovenfest Uraufführung von Dieter Schnebels letztem großen Werk in Bonn

Bonn · Ein Gespräch mit Jan Latham-Koenig, der im WCCB die Uraufführung der Komposition „Schicksalslied: (BSH) Beethoven – Hölderlin“ sowie Werke von Brahms und Janacek dirigiert.

 Verneiung vor Beethoven und Hölderlin: Der Brite Jan Latham-Koenig dirigiert am Freitag Dieter Schnebels „Schicksalslied“.

Verneiung vor Beethoven und Hölderlin: Der Brite Jan Latham-Koenig dirigiert am Freitag Dieter Schnebels „Schicksalslied“.

Foto: Moriya

Für ihn sei es eine sehr bewegende und singuläre Erfahrung, das letzte große Werk des Komponisten Dieter Schnebel uraufzuführen, verrät der britische Dirigent Jan Latham-Koenig. Der Komponist hatte sein „Schicksalslied“ im Auftrag des Bonner Beethovenfests unter Berücksichtigung des Festival-Mottos „Schicksal“ komponiert und war kurz nach dessen Fertigstellung am 20. Mai dieses Jahres in seiner Wahlheimat Berlin im Alter von 88 Jahren verstorben.

Den Werktitel hat Schnebel dem gleichnamigen Gedicht aus Friedrich Hölderlins Roman „Hyperion“ entnommen, das schon viele Komponisten inspiriert hatte, unter andere Johannes Brahms, dessen „Schicksalslied“ für Chor und Orchester bei dem Konzert am kommenden Freitag im WCCB gleichsam als Präludium zur Komposition Schnebels aufgeführt wird. Zwischen den beiden Werken gebe es allerdings bis auf die Verse Hölderlins keine Ähnlichkeiten, meint Latham-Koenig.

Schnebels „Schicksalslied“ sei eine besonderes Werk, meint der Dirigent, eine sehr außergewöhnliche Zusammenstellung von Instrumenten, Stimmen und Effekten. Die aber irgendwie auch sehr typisch für Schnebels Arbeit seien. In diesem Zusammenhang erinnert er daran, dass der Komponist eine Professur für experimentelle Musik bekleidete. „Seine musikalische Fantasie und Einbildungskraft in diesem Werk erinnert mich ein bisschen an John Cage und auf eine andere Weise auch an Erik Satie“, beides Musiker mit einem gewissen Hang zu formalen und klanglichen Experimenten. Einflüsse Karlheinz Stockhausens, den man der Musik Schnebels immer wieder nachsagt, hört er im „Schicksalslied“ indes nicht. Dafür, findet er, sei wiederum Beethoven zu präsent in diesem Werk, worauf schon der volle Titel „Schicksalslied: (BSH) Beethoven – Hölderlin“ hindeutet. Tatsächlich lässt Schnebel mit der fünften Sinfonie des Bonner Komponisten eine andere Schicksalskomposition ausführlich zu Wort kommen.

„Das Stück ist eine Hommage an Beethoven, an Hölderlin und, wenn Sie so wollen, eine Art Epitaph auf sich selbst“ sagt Latham- Koenig. „Ich weiß nicht, ob er das Werk bereits in der Vorahnung seines baldigen Todes komponiert hat“, überlegt er, „aber ich denke im Alter von 88 Jahren ist der Gedanke an den eigenen Tod ein täglicher Begleiter.“

Beethovens fünfte Sinfonie erscheint im „Schicksalslied“ als eigenständiges Element. Man hört die Zitate nicht live gespielt vom vom Sinfonieorchester Flandern, sondern aus Lautsprechern. Gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler und Schnebel-Assistenten, Andreas Krause, hat Latham-Koenig die Beethoven-Interpretationen ausgewählt. „Für die Zitate aus der Fünften entschieden wir uns für den größten Dirigenten von allen: Wilhelm Furtwängler.“ Er dirigiert die Berliner Philharmoniker. Die ebenfalls zitierte „Appassionata“-Klaviersonate spielt Arthur Schnabel, und die Zitate aus dem Streichquartett op. 135 stammen vom Adolf-Busch-Quartett und dem Amadeus-Quartett. Lauter historische Aufnahmen also, die Latham-Koenig allerdings als sehr viel tiefgründiger empfindet als jüngere, meist sehr schnelle und vibratoarme Interpretationen. „Diese Musiker waren die Giganten meiner Jugendzeit. Sie hatten die Fähigkeit, bis ins Herz der Musik vorzudringen.“

Der legendäre Bassist Franz Mazura übernimmt mit 94 Jahren die Sprechrolle

Neben Orchester und Zuspielband verlangt Schnebel noch eine Altstimme, einen vierstimmigen Kammerchor sowie einen Sprecher. „Wir haben dafür den legendären Franz Mazura eingeladen, der mit 94 Jahren diese Sprechrolle übernimmt. Wir hatten schon eine Probe mit ihm. Er hat eine außergewöhnlich charismatische Präsenz“, schwärmt der Dirigent.

Nach der Pause dirigiert Latham-Koenig dann noch Leos Janacecks „Glagolitische Messe“ – für ihn die bedeutendste Messkomposition des 20. Jahrhunderts. Darauf freut er sich der Chef des des Sinfonieorchesters Flandern aber auch wegen der großartigen Solisten und wegen des Prager Philharmonischen Chores, den er für einen der weltweit besten hält.

Freitag, 21. September, 20 Uhr, WCCB, Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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