Hilary Hahn US-Violinistin betörte beim letzten Saisonkonzert des Beethoven Orchesters

Bonn · Es kommt immer auf die Zusammenstellung an. Bei der Uraufführung im Juni 1912 in Paris nahm sich Maurice Ravels Ballettmusik "Daphnis und Chloé" wohl ein bisschen blass aus neben Claude Debussys "Nachmittag eines Fauns" - was freilich ausschließlich daran lag, dass Vaslav Nijinsky den Faun unglaublich erotisch tanzte. So viel Sex-Andeutungen waren damals selten auf der Bühne.

 Glücksfall: Hilary Hahn in der Beethovenhalle.

Glücksfall: Hilary Hahn in der Beethovenhalle.

Foto: Reinbold

Für das letzte Saisonkonzert mit dem vielversprechenden Motto "Trunken von Küssen" hatte Bonns Generalmusikdirektor Stefan Blunier jetzt Ravels knapp einstündige "choreografische Sinfonie" mit dem 1851 uraufgeführten 4. Violinkonzert d-Moll des Belgiers Henri Vieuxtemps gekoppelt. Das steht gewiss nicht im Ruf eines musikalischen Schwergewichts, sondern wird eher in die Paganini-Nachfolge-Ecke gestellt.

Aber man soll sich nicht täuschen: Vieuxtemps hat mehr drauf als nur artistisches Feuerwerk. Eduard Hanslick, im 19. Jahrhundert einer der einflussreichsten Musikkritiker, fand die Kompositionen Vieuxtemps' "geistreich, anmutig, formschön". Im Fall des 4. Violinkonzerts kommt gewiss noch ein Sinn für Dramatik hinzu; schon die Orchestereinleitung, von Blunier und dem Beethoven Orchester sanft ausgebreitet, ist von geheimnisvoller Schönheit.

Beim Bonner Konzert in der ausverkauften Beethovenhalle war die amerikanische Geigerin Hilary Hahn zu erleben - ein Glücksfall sondergleichen. Nicht nur, dass sie einen kleinen Betriebsunfall mit Saitenriss und Geigentausch und -rücktausch souverän wegsteckte, nicht nur, dass sie technisch extrem schwierige Anforderungen mit müheloser Eleganz bewältigte: Hilary Hahn betörte ihr Publikum mit einem ebenso leuchtenden wie warmen und klaren Ton, mit einer Musikalität, die selbst die simpelste kompositorische Idee noch zu veredeln weiß. Das Adagio religioso geriet ihr zu einem berückend schönen Gesang, das federnde Scherzo hatte Sommernachtstraum-Qualitäten.

Danach begaben sich Blunier und sein glänzend aufgelegtes Orchester auf die "Erforschung der Klangwelt", wie es in einer Uraufführungskritik zu "Daphnis und Chloé" hieß. Dem Bonner Generalmusikdirektor liegen solche Werke für großformatiges Orchester, in denen die Farben immer neu gemischt werden, in denen die dynamische Spannbreite extrem ist. Blunier ließ sich Zeit, um immer neues Licht auf die Geschichte vom Schafhirten Daphnis und seiner Chloé zu werfen, um von Nymphen, Göttern und Piraten zu erzählen und vor allem um verführerische (Klang-)Stimmungen zu erzeugen.

Das alles gelang bis ins wahrhaft ekstatische Bacchanal hinein großartig, nicht zuletzt auch mit Hilfe des WDR-Rundfunkchors Köln, der mit seinen Vokalisen dem vielfältig schillernden Klangbild eine sehr sinnliche Nuance hinzufügte.

Große Begeisterung in der Beethovenhalle für eines der besten Konzerte der Saison - und für ein rundum geglücktes Plädoyer, sich auf jeden Fall Karten für die nächste Spielzeit des Beethoven Orchesters zu sichern.

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