Opernpremiere Verführer im Schneegestöber

Köln · Musikalisch grandioser, von der Regie her problematischer „Don Giovanni“ von Wolfgang Amadeus Mozart im Kölner Staatenhaus.

 Jean-Sébastien Bou (Don Giovanni), Aoife Miskelly (Zerlina), Vannina Santoni (Donna Anna).

Jean-Sébastien Bou (Don Giovanni), Aoife Miskelly (Zerlina), Vannina Santoni (Donna Anna).

Foto: Uhlig

Um den Schauplatz des neuen Kölner Don Giovanni in Sevilla zu verorten, wie es Wolfgang Amadeus Mozart und sein Librettist Lorenzo Da Ponte gedacht haben, schneit es auf der Bühne des Staatenhauses eindeutig zu viel. Angesichts der unfreundlichen Wetterbedingungen stellt sich eher der Eindruck ein, Gast zu sein bei einem anderen legendären Frauenverführer, nämlich Casanova, der gerade über seinen Memoiren auf Schloss Dux in Böhmen brütet. In der Inszenierung der französischen Regisseurin Emmanuelle Bastet sitzt Don Giovanni nachdenklich an einem Schreibtisch, raucht eine Zigarette, eine Flasche Whiskey steht als Quelle der Inspiration in Reichweite. Tisch und Drehstuhl sind die einzigen Möbel, die auf der dunklen Bühne des Ausstatters Tim Northam zu sehen sind. Sonst gibt’s nur bewegliche metallene Gitter- und Stangenkonstruktionen, ein Käfig, in dem der Titelheld zugleich Regisseur und Gefangener seiner Gedanken, Gefühle und Triebe ist.

Die eigentliche Geschichte beginnt dann fast wie in einem Tagtraum: Während sein Diener Leporello nach der Ouvertüre seine liebe Last und Mühe mit seinem Herrn beklagt, öffnet Don Giovanni langsam das Hemd und sucht Donna Anna auf. Ihr erzürntes Lärmen ruft den Komtur, ihren Vater, herbei. Im folgenden Handgemenge mit Don Giovanni wird ihm eine der Gitterstangen zum Verhängnis, die sich durch seinen Rücken bohrt.

Emmanuelle Bastet bürstet in ihrer nicht gänzlich überzeugenden Regie die Geschichte einigermaßen gegen den Strich. Wobei sie sich um stimmigen Realismus so wenig kümmert, als wäre das Ganze eine Traumerzählung. Donna Anna etwa stapft bis zum Ende des Stückes im weißen, vom Blut ihres Vaters befleckten Unterrock durch den Schnee. Selbst zur Hochzeitsfeier von Zerlina und Masetto zeigt sie sich so – als Mensch gewordene Anklage. Eine Maske, um inkognito am Fest teilzunehmen, benötigt sie ebenso wenig wie ihre beiden Begleiter Ottavio und Elvira, die Don Giovanni seiner gerechten Strafe zuführen wollen. Der ruchlose Verführer ist aber natürlich nicht zu fassen. In der Inszenierung behält er die Fäden immer in der Hand, entweder als aktiver Strippenzieher oder als stiller Beobachter: Der sportliche Sänger Jean-Sébastien Bou klettert ein ums andere Mal die Stangen hinauf, um Überblick und Kontrolle übers Geschehen zu behalten. Dass in diesem Konzept kein Platz für eine realistische Darstellung des steinernen Gastes bleibt, überrascht am Ende ebenso wenig wie die von der Regie unterschlagenen Flammen der Hölle. Überraschend ist die Rolle, die Don Ottavio beim dramatischen Ende der Oper zukommt. Er wird zum Autor der Zeilen, die Don Giovanni zum Mahl mit dem steinernen Gast einladen, und leitet damit das Ende des Verführers ein.

Musikalisch ist die Produktion durchweg gelungen. Jean-Sébastien Bou gefällt in der Titelrolle mit hinreißend geschmeidiger Baritonstimme, die den Kavalier und Verführer ebenso überzeugend herüberbringt wie den Zyniker und Bösewicht. Tareq Nazim braucht sich als Leporello stimmlich dahinter ebenso wenig zu verstecken wie Luke Stokers Masetto als dritter Bariton. Mit beeindruckender Bassfülle überzeugt Avtandil Kaspeli als Commendatore. Der junge Tenor Julian Behr gefällt als Don Ottavio. Vannina Santoni verleiht dem Leiden der Donna Anna mit jugendlichem Sopran herzergreifend Ausdruck. Donna Elvira findet im leuchtenden Mezzosopran Regina Richters eine ideale Stimme. Aoife Miskelly schließlich bezaubert als Zerlina. Und Andrew Ollivants Chor setzt einige markante Akzente.

Kölns Generalmusikdirektor François-Xavier Roth hatte den Orchesterklang ganz auf historische Aufführungspraxis eingeschworen. Die Streicher spielten ohne Vibrato, die Blechbläser auf authentischem Instrumentarium. Dadurch entstand ein wunderbar luzider Mozart-Klang, der mancher Solo- und Nebenstimme im Orchester zu schönster Wirkung verhalf. Dass dadurch die dunklen, bedrohlichen Farben nicht unterbelichtet wurden, machten Roth und das Gürzenich-Orchester gleich in der Ouvertüre klar. Am Ende gab es für die Musik begeisterten Beifall, in den Applaus für die Regie mischten sich auch ein paar zaghafte Missfallensbekundungen.

Weitere Termine im Saal 2 des Kölner Staatenhauses: 8., 12., 16., 18., 20., 26. und 29. März, 2., 6., 8. und 15. April. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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