Oper "Abraham" in der Kreuzkirche Premiere Verschmelzung im Urgrund

Bonn · Am Donnerstag feiert Daniel Schnyders ambitionierte Oper "Abraham" in der Kreuzkirche Premiere, die das Werk gemeinsam mit dem Düsseldorf Festival in Auftrag gegeben hat.

 Szene aus Daniel Schnyders Oper "Abraham".

Szene aus Daniel Schnyders Oper "Abraham".

Foto: KREUZKIRCHE

Das Wort "Crossover" mag der Komponist und Saxofonist Daniel Schnyder überhaupt nicht. Auch das deutsche Wort "grenzüberschreitend" ist ihm nicht sehr sympathisch, erzählt er. Schließlich setzen solche Begriffe schon Grenzen voraus, die Schnyders Musik eigentlich gar nicht kennt.

Seine Klänge speisen sich aus Quellen, die überall auf der Welt sprudeln. In dem prall gefüllten Werkkatalog des 52-Jährigen Schweizers mit New Yorker Wohnsitz steht eine Oper nach Shakespeares "Sturm" neben einem "Afrikanischen Oratorium", das Stück "Kopfball" für Streichorchester, Saxofon und "Soccer Star" neben der arabischen Ouvertüre "Shourouk", das für die Dresdner Frauenkirche geschriebenen Oratorium "Eine feste Burg" neben der Oper "Charlie Parker".

Klar, dass ein so umfassend orientierter Musiker der ideale Kandidat für die Komposition einer Kirchenoper ist, die sich mit dem Religionsstifter Abraham auseinandersetzt, der gleichsam multikulturell vom Judentum, dem Islam und dem Christentum verehrt wird. Am Donnerstag hat "Abraham" in der Kreuzkirche Premiere, die das Werk gemeinsam mit dem Düsseldorf Festival in Auftrag gegeben hat. In der Landeshauptstadt fand auch vor einigen Tagen bereits die gefeierte Uraufführung statt.

Der Auftrag sei nicht ganz einfach gewesen, sagt Schnyder im GA-Interview. Schließlich sollte es ein Stück Musiktheater für den Kirchenraum werden. Dass es durchaus gewollt war, dass seine Oper über den Kirchenraum hinausweisen und allgemeine gesellschaftliche Dinge behandeln sollte, kam ihm da sehr entgegen. "Die Gesellschaft, auch in Deutschland, besteht ja nicht mehr einfach nur aus Christen", sagt er. "Da ist ,Abraham' ein ideales völkerbindendes Thema, das sehr aktuell ist und Fragen aufwirft, die vor hundert Jahren weniger präsent waren." Nicht nur die gemeinsamen Wurzeln der drei großen Religionen, sondern auch ganz andere gesellschaftliche Fragen werden in der Abraham-Geschichte behandelt, etwa die nach der Leihmutterschaft bei unerfülltem Kinderwunsch.

Auch das Thema Migration und die daraus resultierenden Probleme werden in der Geschichte Abrahams angesprochen. Und natürlich die aktuellen politischen Probleme im Nahen Osten, die "in der Musik reflektiert" werden. Die Musik vollzieht die Entzweiung der beiden Söhne Ishmael und Isaak nach, "die dann aber in meiner Abraham-Geschichte wieder zusammenfinden". Schnyder betont, dass er nichts zum Abraham-Stoff hinzuerfunden habe. Aber es existierten eben weit mehr Quellen als nur die Bibel. "Da gibt es ganz verschiedene Abraham-Geschichten", sagt er. "Mich hat interessiert, dass Abraham eben nicht nur eine biblische, sondern eine sehr vielschichtige Figur ist." Der größte Unterschied zur tradierten biblischen Erzählung sei, dass Abrahams dritte Frau Ketura in seiner Oper identisch mit der ersten Frau Hagar ist, wie es auch in der hebräischen Schriftauslegung angenommen wird.

Um die vielschichtigen Implikationen der Abraham-Geschichte musikalisch deutlich zu machen, reist der Komponist Schnyder durch Zeit und Raum, lässt die Fugenkunst der christlich-europäischen Musikgeschichte ebenso lebendig werden wie die des israelisch-arabischen Raumes. "Da wollte ich unbedingt arabische Musiker einbinden, und nicht Deutsche, die auf arabischen Trommeln spielen." So spielen Bassam Saba Nay und Oud und Tareq Rantisi Percussions-Instrumente.

Die Kantoreien der Bonner Kreuzkirche und der Johanneskirche Düsseldorf übernehmen die sehr anspruchsvollen Chorpartien. Mischa Schelomianski, Theresa Nelles, Rena Kleifeld und Raphael Pauß sind die Gesangssolisten. Düsseldorf Festival Orchester spielt unter Leitung von Kirchenmusikdirektorin Karin Freist-Wissing. Schnyder, der auch ein begnadeter Jazz-Musiker ist, bringt sich selbst am Saxofon ein.

Die Musik aber klingt trotz ihrer ganz unterschiedlichen Quellen nicht nach Patchwork, versichert Schnyder: "Weil sie im Urgrund verschmilzt."

Premiere in der Kreuzkirche in Bonn am Donnerstag, 20. November. Weitere Aufführungen: 22. und 23. November, jeweils 20 Uhr. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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