Volker Schlöndorff liest im Haus der Geschichte aus Autobiografie

Der Regisseur berichtet in "Licht, Schatten und Bewegung" vom Leben und seinen Filmen - Sein großer Wunsch: Ein Film über Vivaldi

Volker Schlöndorff liest im Haus der Geschichte aus Autobiografie
Foto: Franz Fischer

Bonn. Bisweilen wird der Stellenwert eines prominenten Gasts schon dadurch erkennbar, dass sein Name kein einziges Mal erwähnt wird. Hannelore Fuchs, Vorstandsmitglied des einladenden Montag-Clubs, unterrichtet das wartende Auditorium im Haus der Geschichte wiederholt über die aktuellen Stationen seiner Anreise aus Berlin, und auch als er schließlich eingetroffen ist, spricht sie stets in der dritten Person über ihn, den berühmten Gast.

Er, der Filmregisseur Volker Schlöndorff, vor 30 Jahren ausgezeichnet mit der Goldenen Palme von Cannes und mit dem Oscar für seine Günter-Grass-Verfilmung "Die Blechtrommel". Schlöndorff, graues Oberhemd ohne Krawatte, schwarzes Sakko, stellt sich hinter das Rednerpult im Saal und liest aus seiner im Vorjahr erschienenen Autobiografie "Licht, Schatten und Bewegung - mein Leben und meine Filme", satte hundert Minuten lang. Spielfilmlänge.

Der Abend startet inhaltlich mit seinem Opus Magnum, der "Blechtrommel". Schlöndorff erinnert sich an Cannes, Salat Nizza mit Rosé im "Plage Sportive", als ihm jemand mit starkem französischem Akzent zuruft: "Volker, du hast die Palme!" Und dann noch in Los Angeles der Oscar obendrauf.

Sein Vater fand den Film nach dem Grass-Roman "scheußlich", was Schlöndorff junior inzwischen eher belustigt vorträgt. Ganz still hingegen wird es im Publikum, als der heute 70-Jährige vom Verbrennungstod seiner Mutter erzählt und dabei mehrmals schlucken muss.

Erste Berührungen mit dem Kino, als sich der Junge heimlich in die Leinwandhäuser seiner Geburtsstadt Wiesbaden schleicht. In Lichtspielhäusern mit prickelnden Namen wie Roxy, Rio oder Walhalla konsumiert er Western und Gruselfilme.

"Schund" in den Augen der Eltern-Generation. Die zwischendurch auf Leinwand eingeblendeten Filmausschnitte - von Schlöndorffs Langfilm-Debüt "Der junge Törless" (1966) bis zu "Ulzhan - Das vergessene Licht" (2007) - bleiben leider völlig unkommentiert.

Schlöndorff ist nunmehr in den siebziger Jahren angekommen, berichtet von seiner Ehe mit der Filmemacherin Margarethe von Trotta und von seiner Verfilmung des Heinrich-Böll-Romans "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1975). "Dieser Mann hatte nichts Einschüchterndes, auch wenn er viel radikaler war, als ich ihn mir vorgestellt hatte".

Äußert sich der 70-Jährige bewundernd über Böll, so hinterließ die Kooperation mit Günter Grass während der Dreharbeiten zur "Blechtrommel" zwiespältige Gefühle. Schlöndorff beschreibt Grass' Anwesenheit am Set als lähmend für seine Arbeit. Es sei erst wieder vorwärtsgegangen, als Grass abgereist war.

Erstaunlich offen berichtet Schlöndorff von seiner Zeit in New York Mitte der achtziger Jahre, als er nicht nur ein Loft an der Ecke 55th Street und 9th Avenue hatte, sondern auch einen Psychoanalytiker konsultierte. Beziehungsprobleme. 1988 trifft sich der Regisseur erstmals mit Max Frisch, weil er dessen Roman "Homo Faber" auf die Leinwand bringen will.

Drei Jahre später sagt der Schweizer Schriftsteller nach der Premiere über den Film: "Er ist nicht nur schön, sondern stark." Der schwer kranke Frisch ist außerdem sehr angetan von der französischen Schauspielerin Julie Delpy, erzählt Schlöndorff.

Der Autor vermacht ihm anschließend seinen Jaguar: "Das war vor fast 20 Jahren. Ich fahre ihn heute noch, jeden Tag." Die Fragerunde zum Schluss gerät arg kurz. Der politische Film in Deutschland befinde sich derzeit in einer Krise, "auch das Fernsehen will keine engagierten Stoffe". Gibt es ein Wunschprojekt? Ein Film über Antonio Vivaldi. Dann wird signiert.

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