Konzert der Toten Hosen in Köln Volle Kanne zurück auf diese Bühne

Die Toten Hosen präsentieren ihre neue CD „Laune der Natur“ im Kölner Gloria. Die Düsseldorfer präsentieren einen Cocktail aus Adrenalin und Endorphinen

 Frontmann Campino beim Konzert zur Veröffentlichung des neuen Albums.

Frontmann Campino beim Konzert zur Veröffentlichung des neuen Albums.

Foto: dpa

Kurz vor 23 Uhr ist das Gloria kein Club mehr, sondern ein Feuchtbiotop. Alles fließt. Der Schweiß. Das Bier. Die Tränen. Klatschnasse Kleidung, Bodenfläche zum Briefmarken-Draufpappen, Pipi in den Augen von Kerlen, die Carmen Knoebel kannten, als sie noch nicht Kulturmanagerin war. Sondern Wirtin vom „Ratinger Hof“. Wenn die Toten Hosen volle Kanne zurück auf diese Bühne preschen (das Gloria war Anfang Mai 2012 Schauplatz eines Konzerts zur Veröffentlichung des 15. Studioalbums „Ballast der Republik“), dann bedeutet das Glück. Ohne die dabei zu vergessen, die nicht mehr sind. Aber wären sie noch – sie wären dabei. Und sind es, im Erinnern, ja trotzdem. Gut so.

Wieder gilt es, das Erscheinen eines neuen Albums zu feiern, das gerade Mal ein paar Stunden alt ist: „Laune der Natur“. Und wieder zeigen die Düsseldorfer den Kölnern: so geht Party. Wobei derlei Animositäten zwischen den (angeblichen) Erzrivalen längst ausgestanden scheinen.

Oder ist es der Cocktail aus Adrenalin und Endorphinen, der Frontmann Campino bedauern lässt, „dass wir leider so selten hier sind in dieser Stadt“. Nachdem er schon zuvor erklärt hat, dass sich die Hosen über den Sieg der Geißböcke freuen. Mit der kleinen Einschränkung: „weil ihr so gute Gastgeber seid.“

Wunderbarer Querschnitt durch das Werk der Toten Hosen

Die geben ihren Gästen dieses Kompliment nur zu gerne zurück. Wer so feine Geschenke mitbringt – 21 Stücke und zehn Zugaben bei fast zwei kompletten Stunden Spielzeit – der hat sich die Einladung zum Verkaufsstart der nächsten Scheibe schon gesichert. Für 900 Fans beginnt das diesmalige Fest furios mit einem „Urknall“ (erstes Stück auf „Laune der Natur“) und endet mit Campinos Interpretation der Hymne an das blaueste aller italienischen Blaus („Azzurro“). Rein theoretisch. Weil einmal noch und noch ein allerletztes Mal der Refrain – das ist unbedingt drin: „Wir wollen das auch so'n bisschen zelebrieren.“

Zelebriert wird aber nicht nur das neue Album. Die Hosen, die 1982 dem Punk eine äußerst nachhaltige Frischzellenkur injizierten, machen Party. Keine PR-Veranstaltung. Haben sie auch gar nicht nötig. „Laune der Natur“ braucht keine Werbung. Stattdessen gibt's einen wunderbaren Querschnitt durch alles, was diese Combo drauf hat. Weder Sänger Campino alias Andreas Frege noch die Gitarristen Andreas „Kuddel“ von Holst und Michael „Breiti“ Breitkopf, Bassist „Andi“ Andreas Meurer oder Drummer Vom Ritchie schonen sich dabei. Wie auch? Bei diesem Tempo? Das auch jenseits der 50 großer Sport ist.

Hits wie „Bonnie & Clyde“, „Steh auf, wenn du am Boden bist“ oder „Hier kommt Alex“ sind unverzichtbar, Aber nicht minder wichtig sind Bekenntnisse zu den Wurzeln der eigenen Musik. „Teenage Kicks“ von den Undertones widmen die Hosen Carmen Knoebel. Der Wirtin vom „Ratinger Hof“. Oder späte Einsichten: „In unserer Philosophie ist Hannes Wader einer der härtesten Punks der Republik.“

Um hernach dessen „Heute hier, morgen dort“ zu covern. Und auch ein „paar Raritäten, nicht von der großen Autobahn“ kommen zu ihrem Recht. Wie „Wunder“: „Das müsste man zu Zeiten, wo es Fortuna Düsseldorf so schlecht geht, mal wieder rausholen.“ Gesagt, getan. Für die 900 Glückspilze, denen es gelang, eines der innerhalb von 30 Sekunden ausverkauften Tickets zu ergattern, haben die brandneuen Stücke dennoch einen ganz besonderen Stellenwert.

Nicht nur weil Campino so schöne Erläuterungen zu deren Entstehung abgibt („Die Schöne und das Biest“: „Das ist der Versuch, einen Tarantino-Film auf dreieinhalb Minuten zu kürzen“). Sondern weil man sie an diesem Abend zum allerersten Mal live hören kann. Und weil man dabei weiß: ganz genau so wie hier und jetzt werden sie nie wieder klingen. Gut so.

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