Beethovenfest Von Isabelle Fausts grandiosem Violinspiel bis zu Claude Chalhoubs Crossover-Projekt

Bonn · So viel orchestrales Gezwitscher wie beim Gastspiel des Ensembles La Chambre Philharmonique war selten beim Beethovenfest - Libanesischer Geiger Claude Chalhoub billierte in der Harmonie - David Orlowsky Trio überraschte in der Straßenbahnhalle Dransdorf - Stefania Adomeit sang sich in die Herzen der Zuhörer

 Beethovenfest in der Harmonie: Geiger Claude Chalhoub und Begleiter Tobias Koch.

Beethovenfest in der Harmonie: Geiger Claude Chalhoub und Begleiter Tobias Koch.

Foto: Barbara Frommann

Beethovenhalle. Man kann über Sinn und Nutzen des Einsatzes von historischen oder historisierenden Instrumenten trefflich streiten - aber wenn es ein Werk gibt, dem sie zu ganz besonderen Klangeffekten verhelfen können, dann dürfte das Beethovens 6. Sinfonie sein. So viel orchestrales Gezwitscher wie beim Gastspiel des Ensembles La Chambre Philharmonique war selten beim Beethovenfest, und so viel dräuendes, unheimliches, aufregendes Gewitter bekommt man auch nicht jeden Abend zu hören. Diese Pastorale war tatsächlich ein Fest der naturnahen Farben und Stimmungen.

Dirigent Emmanuel Krivine, einer der Mitbegründer des fabelhaften Orchesters, ist ein Mann fürs Genaue, für Detailtreue, für die treffsichere Pointe und für durchsichtiges, schwungvolles Musizieren. All das deutete sich bei diesem reinen Beethoven-Abend schon in der flink und frisch genommenen Ouvertüre zu "Die Geschöpfe des Prometheus" an und wurde erst recht bei der Sechsten deutlich: Nichts wird dabei auf die leichte Schulter genommen, aber alles wirkt locker und unverkrampft. Das Publikum in der ausverkauften Beethovenhalle war zweifellos beeindruckt.

Dabei hatte die 6. Sinfonie in diesem Konzert durchaus keinen leichten Stand, denn zuvor hatte sich die Geigerin Isabelle Faust derart beglückend mit Beethovens Violinkonzert auseinandergesetzt, dass eine Fortsetzung solcher Interpretations-Großtaten fast unmöglich erschien. Krivine und sein Ensemble lieferten ihr dazu die perfekte Vorlage: eine gelöste, spielerische, fast tänzerische Orchester-Einleitung, die sehr intim wirkte. Es war der Beginn eines wunderbaren Dialogs.

Das Violinkonzert lässt viele interpretatorische Möglichkeiten zu: von der nüchternen Analyse bis zur großen romantischen Geste. Isabelle Fausts Lesart ist eine ganz eigene: unpathetisch auf jeden Fall, mit einem Gespür für große Bögen und die Zärtlichkeit des Klangs. Sie kann das Instrument in ungeahnte Pianissimo-Welten zurücknehmen und es ungewohnt rau attackieren lassen (wie in der Überleitung zum dritten Satz). Der Ton ist klar, silbrig und schlank, speziell im Finale führte das zu einem gleichsam schwerelosen Tanz mit den Noten. Eine Referenz-Aufführung. Ulrich Bumann

Harmonie. Wenn es ums Moderieren geht, wirkt der libanesische Geiger Claude Chalhoub eher scheu und zurückhaltend. Am liebsten überließe er den Teil ganz seinem deutschen Klavierpartner Tobias Koch. Ganz anders wirkt der ehemalige Konzertmeister des West-Eastern Divan Orchestras, wenn er sein Instrument in der Hand hat.

Den Duoabend in der Harmonie Endenich eröffneten die beiden Musiker mit einer Eigenkomposition Chalhoubs, "Two Angels". Und schon mit der Solo-Einleitung dürfte dem Beethovenfest-Publikum klar gewesen sein: der kann was! Und zwar nicht nur wunderbar, mit einer Mischung aus westlichen und östlichen Klängen komponieren, sondern es auch umsetzen. Die Duo-Verbindung mit Koch geht auf - sowohl bei den weiteren Kompositionen Chalhoubs, als auch bei den "klassischen" Werken. So beeindruckte Chalhoub mit einer feurigen Interpretation von Ravels "Tzigane". Daneben waren auch jeweils ein Werk von Beethoven und Brahms zu hören.

Die Mischung klassischer Werke mit den virtuosen Stücken Chalhoubs, die all seine musikalischen Wurzeln vereinen, kam beim erfreulich gemischten Publikum gut an: Drei Zugaben nach langem Applaus. Verena Düren

Straßenbahnhalle Dransdorf. Außerordentliche Musiker erfordern außerordentliche Spielorte, und so war das David Orlowsky Trio in der Straßenbahnhalle Dransdorf zu hören, einer der etwas anderen Spielstätten des Beethovenfestes. Das Trio um den Ausnahme-Klarinettisten David Orlowsky hat sich bereits vor 15 Jahren gegründet und wurde zunächst bekannt durch seine Klezmer-Interpretationen. Was sie jetzt machen, ist etwas anderes: Sie nennen es "Kammerweltmusik" und es passt in keine Schublade. David Orlowsky (Klarinette), Florian Dohrmann (Kontrabass) und Jens-Uwe Popp (Gitarre) verbinden in ihren Eigenkompositionen Klezmer mit Einflüssen aus Jazz, südamerikanischen und südeuropäischen Klängen und sogar Anleihen aus der Popmusik. Musikalisch hervorragend ergänzt wurde das Trio dabei durch den jungen israelischen Mandolinisten Avi Avital und den österreichischen Bandoneon-Spieler Klaus Paier.

Das hervorragende Zusammenspiel der Musiker und das Einfließen der verschiedenen Kulturkreise ergeben eine faszinierend neuartige Klangwelt. Besonderes Highlight waren auch die Soli des jungen Avi Avital, der seiner Mandoline für westliche Ohren ungewohnt fetzige, geradezu ekstatische Klänge entlockte. Drei Zugaben forderte das begeisterte Publikum ein. Verena Düren

Post Tower. Nein, sie bereut nichts: In ihrer zweiten Karriere als Diseuse hat Stefania Adomeit alles richtig gemacht. Mit Edith Piafs "Non, je ne regrette rien" und anderen unverwechselbaren Chanson-Interpretationen singt sie sich schon seit vielen Jahren in die Herzen ihrer Zuhörer.

Auch in der Post Tower Lounge beginnt sie mit den Greatest Hits des Spatzes von Paris; "La vie en rose" und "Milord" dürfen nicht fehlen, bevor sich Adomeit Jacques Brel widmet. Da wirken etwa in "Ne me quitte pas" manche Tempowechsel manieriert, die ein oder andere Textzeile vernuschelt, aber tant pis: So, wie der "Spatz von Bonn" die großen Gefühle durchlebt und durchleidet, wie sie ihren vollen, schwarzen Diseusen-Tenor mit heiserem Hauchen, kehligem Lachen und sinnlichem Seufzen unterbricht, kann man ihr nicht böse sein. Und sie hat mit dem Arrangeur und Pianisten Uwe Rössler sowie dem Akkordeon-Virtuosen Alexander Pankov zwei hochkarätige Musiker an ihrer Seite.

Im zweiten Teil wird es mit Brecht und Weill leidenschaftlich verrucht. Das Publikum ist begeistert von dem Chanson-Wunder, das ihm begegnet, und freut sich, wenn es im Zugabenteil dann auch noch rote Rosen regnet.

Post Tower. Die Bühne in der rappelvollen Post Tower Lounge war noch leer, da tönte "The Years Turn Round Again" (Snow Falls) a cappella gleichsam aus dem Off. Der schlichte Volkston in Adrienne Haans wandlungsfähiger Stimme schlug um, als sie die Bühne erreichte und Kurt Weills "Seeräuberjenny" inszenierte: Schrecken, Faszination, Wahnsinn - alles packte sie zusammen mit Laia Genc am Flügel in die schaurige Ballade. Solch "geballte Frauenpower" (Haan) begeisterte weiter mit Medleys zur Emanzipation der Frau, einem Gershwin-Medley mit ungewöhnlich flotter "Summertime" und dem Berliner Kabarett und Klezmer-Medley.

Haan, die in New York und Bonn lebt, präsentierte sich als Entertainerin mit großer Präsenz. Jede Geste passte zum musikalischen Ausdruck. Auch wenn das sexy Outfit des ersten Teils nach der Pause durch ein langes schwarzes Kleid ausgetauscht wurde - es blieb prickelnd. "Dans le port d'Amsterdam" von Jaques Brel ließ durch die sich stetig steigernden Emotionen nicht unberührt und auch das sanfte "Ne me quitte pas" lag Haans Stimmlage hervorragend. Drei Zugaben.

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