Theaterpremiere am 13. Februar: Lessings "Nathan" Von Vorurteilen frei

Bonn · Im November 2009 brachte das Bonner Theater unter Klaus Weise Parallelwelten auf die Bühne. Das Theater hatte die Kölner Journalistin Ingrid Müller-Münch verpflichtet, ein dokumentarisches Theaterstück zu schreiben.

 Die Köpfe des Bonner „Nathan“, für ein Transparent aufgenommen von Theaterfotograf Thilo Beu.

Die Köpfe des Bonner „Nathan“, für ein Transparent aufgenommen von Theaterfotograf Thilo Beu.

Foto: Thilo Beu

"Zwei Welten“ war die Frucht von 60 Interviews mit Tätern und Opfern, Lehrern und Ladenbesitzern. Entstanden war so eine Bühnenwirklichkeit, deren Ähnlichkeit mit existierenden Strukturen in Bad Godesberg unvermeidlich erschien. Allerdings nicht jedem und jeder.

„Zwei Welten“ zeige nicht die Wirklichkeit von Bad Godesberg. Das Werk, stellte 2009 Familiendezernentin Angelika Maria Wahrheit fest, vermittele „das Bild einer angsterfüllten Bevölkerung, das so nicht zutrifft“. Laut Wahrheit gab es keinen sichtbaren Niedergang der ehemaligen Diplomatenstadt, keine reduzierte Polizeipräsenz, keine Jugendkriminalität (mit und ohne Migrationshintergrund), keine rivalisierenden Gangs, keine Sorgen in der Bevölkerung. Frank Heuels Inszenierung lieferte aber dennoch Stoff für kontroverse, produktive Diskussionen. Der damals neue Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch, der die Premiere gesehen hatte, empfahl den Besuch der Aufführung. Sie war nah am Puls der Zeit.

Mittlerweile verantwortet Nicola Bramkamp das Sprechtheater in Bonn. Ihr Haus will nun auch der Gegenwart den Puls fühlen, und zwar mit dem Stück eines 1729 in Kamenz in der Lausitz geborenen Autors. Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“, 1779 geschrieben und uraufgeführt 1783 in Berlin, zwei Jahre nach dem Tod des Verfassers, gilt für Nicola Bramkamp „als Stück der Stunde und Bonn-Tannenbusch als Hochburg der Salafisten, als das deutsche Molenbeek“. Eine steile These.

Premiere des Bonner „Nathan“ ist am Samstag, 13. Februar, in den Kammerspielen Bad Godesberg. Regisseur des Abends ist Volker Lösch; er hat in Bonn die „Waffenschweine“ mit Erfolg inszenatorisch betreut. Nach seinem „vielbeachteten Abend“ (Theater Bonn) am Dresdener Staatsschauspiel über die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ bringt Lösch nun zwölf junge Muslime auf die Bühne.

Das ordnet das Schauspiel in einen größeren Zusammenhang ein. Bramkamp: „Die Straftaten in der Kölner Silvesternacht sind Beispiel und Brandbeschleuniger: Angesichts der medialen und gesellschaftlichen Erregung scheint Lessings humanistischer Appell an Juden, Christen und Muslime zu Toleranz und friedlichem Wettstreit umso wichtiger geworden – oder weltfremder?“ Schauspieler aus dem Ensemble spielen Lessings Versöhnungsplädoyer, zwölf junge Erwachsene mit Wurzeln im Iran, im Libanon, in Marokko, Syrien und in der Türkei sollen den Aufklärungsklassiker ebenso befragen wie die „Inszenierungen des Anderen“.

Sie berichten von ihrem Glauben, heißt es, ihren Ängsten und Diskriminierungen konkret in Bonn. Und sie fragen wie man rauskommt aus Sippenhaft und Schubladendenken, bereitet die Schauspielchefin das Publikum auf einen unkonventionellen Klassikerabend vor.

Das Ensemble besteht aus Bernd Braun, Glenn Goltz, Jan Jaroszek, Julia Keiling, Daniel Breitfelder, Birte Schrein, Manuel Zschunke sowie Semiha Akyayla, Nima Bazrafkan, Nour-Eddine Harrach, Aykut Ali Ismail Ötün, Sinem Kakalic, Nina Karimy, Yasha Markazi Noubar, Jasmin Mourad, Arash Nayebbandi, Mirahb Tunc, Sümeyra Yilmaz und Damon Zolfaghari. Es dürfte eng werden auf der Bühne.

Die Inszenierung wird laut Nicola Bramkamp angereichert durch weitere Stimmen aus Bonn „und dem für seine Burkadichte bekannten Bad Godesberg“: Umfragen unter Theaterbesuchern ebenso wie Interviews mit Lehrern, Sozialarbeitern, Fundamentalisten. So werde in den Kammerspielen Lessings dramatisches Gedicht zur Diskussion und „unser Toleranzbegriff auf den Prüfstand gestellt“.

Premiere am Samstag, 13. Februar, 19.30 Uhr. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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