Weihnachtliches von Bonner Konzertwochenende

Pianist Uri Cane im Beethovenhaus - Festmusik zur Weihnachtszeit im rheinischen Landesmuseum

Weihnachtliches von Bonner Konzertwochenende
Foto: Horst Müller

Bonn.St. Remigius. Händels "Messias" ist für den Chur-Cölnischen Chor zu einem Standardwerk geworden. Eigens um dieses Oratoriums willen - so die Chronik - wurde der Chor Ende des Jahres 1968 von Heribert Beissel gegründet: Der Geburtstag in diesem Jahr ist somit ein runder.

Mehr als 50 Mal wurde der "Messias" seither aufgeführt; von Routine indes keine Spur, wie jetzt wieder bei einer Aufführung in der Bonner Remigius-Kirche. Unter Beissels Leitung, begleitet von der farbreich musizierenden Klassischen Philharmonie, entfaltete das leicht eingestrichene Werk eine Frische, die manch noch so engagiertem Historismus Paroli bieten konnte: Durch einen schlank gehaltenen Grundton bestens durchhörbar, zeichnete Beissel die komplexen Strukturen der Partitur dynamisch federnd, ausdrucksstark nach.

Der Chor zeigte sich sehr flexibel und agierte selbst bei straffen Tempi stets punktgenau und sauber in Intonation und Artikulation. Lyrisch samtige Qualitäten brachte auch das Solisten-Quartett aus Anett Fritsch, Sopran, Evelyn Krahe, Alt, Daniel Kim, Tenor, und Sungkon Kim, Bass, mit ein.

Fritz Herzog

Beethoven-Haus. Die Frau vor dem Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses ist gut gelaunt, aber ratlos: "Ich würde zu gerne wissen, was der da eigentlich alles gespielt hat." Zu diesem Zeitpunkt ist gerade das Konzert des New Yorker Pianisten und Komponisten Uri Caine zu Ende gegangen.

Auch ein Blick ins Programmheft hilft nicht wesentlich weiter: "Variationen und Improvisationen über Beethoven, Mahler, Jazz-Standards und eigene Kompositionen" steht da. Auffallend schnellen Schrittes tritt Uri Cane vor den Vorhang und an den großen Flügel, auf dem keine Notenblätter liegen, und beginnt beiläufig, ohne ein Kopfnicken oder Lächeln zur Begrüßung das Konzert mit Fats Wallers "Honeysuckle Rose".

Sein Tastenanschlag ist extrem hart, die linke Hand hämmert geradezu, dennoch geht dem Stück die Leichtigkeit nicht verloren. Dass dies überhaupt nie passiert, ist Caines größte Stärke. Doch ob er nun in seinem Mahler-Medley den Trauermarsch aus der 5. Sinfonie mit einer Klezmer-Note versieht oder Fragmente der "Ode an die Freude" mit dissonantem Akkorddonner erschüttert: Dezent swingende Rhythmen verleihen seinen Interpretation Eingängigkeit, die skeptische Blicke des Publikums nach wenigen Takten zuverlässig in zufriedenes Kopfnicken verwandelt.

Ganz am Ende dann sogar in tosenden Applaus, der drei Zugaben nach sich zieht. Die ungewöhnlichste und schönste davon ist die erste, die klingt wie ein tänzerisches Abendlied. Auf Nachfrage kann sich aber nicht einmal der Künstler selbst erinnern, welches Stück er da genau gespielt hat. Dann fällt es ihm doch noch ein: Es war eines seiner eigenen, aus "Othello Syndrome". Gut zu wissen.

Tobias Blum

Landesmuseum. "Weihnachtliche Festmusik" spielte das Duo Schumacher-Schmidt im letzten Konzert der Reihe "Zeitsprünge" im Rheinischen Landesmuseum. Dass die Kombination Oboe und Orgel, gezwungenermaßen in Form von Bearbeitungen, durchaus reizvoll sein kann, bewies das bestens aufeinander eingespielte Duo durch empathische Interpretationen.

Zwischendurch allerdings ließ Oboistin Sandra Schumacher ganz unweihnachtlich den Bacchus aus Brittens "Metamorphosen nach Ovid" mit derbem Witz tanzen und die Frauen zwitschern und schwätzen. Derweil betrachtete Narziss sich versonnnen im spiegelnden Wasser.

Die sogenannten "Paradestücke" eines jeden Oboisten boten auch der aufstrebenden Sandra Schumacher ein adäquates Spiegelbild: geschmeidig, fantasievoll, ausdrucksstark und facettenreich. Die Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes und des Deutschen Musikwettbewerbs ist seit einem Jahr Solo-Oboistin bei den Stuttgarter Philharmonikern.

Der eingeschränkte Tonumfang und die Disposition der bereitgestellten Truhenorgel hatten die beiden Musikerinnen veranlasst, das Programm zu ändern. So war nicht alles weihnachtlich, wohl aber glänzend in der Ausführung.

Die Organistin Mareille Schmidt erwies sich als souveräne Partnerin; sie begleitete die Werke von Gottfried August Homilius (ein Bach-Schüler), Telemann, Bach und Johann Wilhelm Hertel auf kongeniale Weise. Das leider nicht zahlreich erschienene Publikum applaudierte begeistert.

Barbara Pikullik

Petersberg. Mit Gioacchino Rossinis "Petite Messe Solennelle" hatte sich der Kammerchor Oberpleis Königswinter unter seinem Leiter Pavel Brochin einem sehr speziellen Werk zugewandt: Rossini, der während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit seinen Buffa-Opern grandiose Erfolge verbuchen konnte, war aus der Mode gekommen, zog sich nach Paris zurück, mutierte vom Komponisten zum Koch und kredenzte den Gästen kulinarische Kreationen.

So ganz ohne musikalische Beilagen kamen ihm die Besucher aber nicht davon: Köstliche Petits fours wurden verabreicht in Form von witzigen Piano-Piècen, als "Péchés de vieillesse", als Alterssünden, bekannt. Als deren letzte hat Rossini selbst seine "Petite Messe" bezeichnet, geschrieben für Soli, gemischten Chor, zwei Klaviere und Harmonium: ein von feiner Ironie geprägtes musikalisches Vermächtnis.

Die Interpretation durch Brochin aber ließ gerade dieser altersweisen, ironischen Dimension keinen Raum. Trocken fiel die Darbietung deshalb nicht nur wegen der sängerunfreundlichen Akustik der Rotunde auf dem Petersberg aus.

Der stimmlich mit doppelt so vielen Damen wie Herren nicht eben ausgewogen besetzte Chor hatte mit korrekter Intonation und Artikulation ebenso zu tun wie dem Einhalten der metrischen Dichte in den komplexen Fugensätzen.

Interpretatorische Verve wollte sich so nirgends entwickeln. Ein wenig trug hierzu auch die eigenartig akzentuierende Klavier-Begleitung durch Elena Benditskaja bei, wohingegen Christoph Hamm am Harmonium einem Rossini-Tonfall im "Preludio religiose" schon recht nahe kam.

Kaum Aufregendes zu bieten hatte auch das Solistenquartett aus Olga Poljakova, Sopran, Katherine Lewald, Alt, Alexander Yudenkov, Tenor, und Michail Nikiforov, Bass. Das Publikum goutierte die Aufführung mit lang anhaltendem Applaus.

Fritz Herzog

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