Mahler Chamber Orchestra beim Beethovenfest Wenn der Dirigent fehlt

Bonn · Der finnische Geiger Pekka Kuusisto springt beim Konzert des Mahler Chamber Orchestra für den erkrankten Dirigenten Teodor Currentzis ein. Sunnyi Melles führt mit dem Mahler Chamber Orchestra unter Michael Wendeberg Arnold Schönbergs Melodram „Ode an Napoleon“ nach Lord Byron auf.

 Beethoven-Session: Der finnische Geiger Pekka Kuusisto (rechts) mit dem Mahler Chamber Orchestra.

Beethoven-Session: Der finnische Geiger Pekka Kuusisto (rechts) mit dem Mahler Chamber Orchestra.

Foto: Barbara Frommann

Geschichte mag sich nicht wiederholen, Geschichten aber mitunter schon. In der nahezu ausverkauften Beethovenhalle erlebte das Publikum am Samstagabend beim Gastspiel des Mahler Chamber Orchestra jedenfalls eine Art Déjà-vu eines Beethovenfest-Konzertes von 2006. Damals übernahm die Geigerin Lisa Batiashvili als Solistin in Beethovens Violinkonzert gleich auch die Leitung, weil der Dirigent der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, Paavo Järvi, verhindert war. Jetzt hatte Teodor Currentzis, derzeit einer der angesagtesten Orchesterleiter, sich krank gemeldet, und der finnische Geiger Pekka Kuusisto übernahm.

Nervosität war ihm angesichts der plötzlich zugetragenen Doppelrolle nicht anzumerken. Im Gegenteil. Selten erlebt man so einen entspannten Musiker auf der Bühne. Zwar mag ihm geholfen haben, dass er als Chef seines eigenen Streicherorchesters häufiger zugleich spielt und führt. Aber eine komplett sinfonische Besetzung zu leiten, ist dann doch etwas anderes, selbst wenn Teodor Currentzis schon intensive Proben-Vorarbeit geleistet haben mag. Was Currentzis und Kuusisto miteinander verbindet, ist der unkonventionelle Zugang zur Musik, für sie ist der Notentext kein unantastbares Heiligtum, sondern Orientierung.

Kuusisto ist Antiromantiker, gab im ersten Satz ein recht zügiges Tempo vor, ergänzte variantenreiche Verzierungen, produzierte einen ansprechenden Ton, der nicht auf geigerischen Schmelz setzte, sondern das Miteinander mit den wie der Solist im Stehen spielenden Orchestermusikern in den Vordergrund rückte. Sehr schön etwa gelang das Zusammenspiel mit den Bläsern in der Durchführung des ersten Satzes. Mitunter stellte sich beinahe der Eindruck einer Session ein, wenn Kuusisto etwa den Konzertmeister als Partner bei der eigenen Solokadenz integrierte.

Das Publikum war von dieser unkonventionellen Interpretation begeistert, was Kuusisto animierte, noch eine wortreich angekündigte Zugabe zu spielen: Das Arrangement eines schwedischen Volksliedes, das er als Hommage an die vielen Menschen auf der Flucht verstanden wissen wollte.

Bevor mit der siebten Sinfonie ein weiteres Werk von Beethoven gespielt wurde, betrat die Schauspielerin Sunnyi Melles die Bühne, um mit dem Mahler Chamber Orchestra unter Leitung des kurzfristig eingesprungenen Dirigenten Michael Wendeberg Arnold Schönbergs Melodram „Ode an Napoleon“ nach Lord Byron aufzuführen. Ein Abgesang auf den Kaiser und auf jegliche Tyrannenwillkür. Sunnyi Melles sprach den Text über der vom Orchester großartig gespielten Musik mit Leidenschaft und Intensität, nur hätte die elektronische Verstärkung ein wenig gedämpfter sein dürfen.

Die Siebte Beethovens fiel danach schlichtweg sensationell aus. Konzertmeister Matthew Truscott hatte die musikalische Oberaufsicht über eine Interpretation, die diese Musik regelrecht zum Vibrieren brachte, vor allem natürlich in dem wirbelnden Finale. Doch sie können auch subtil und leise, wie die fein herausgehörten Stimmen des Allegretto-Trauermarsches zeigten. Auch hier: große Begeisterung.

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