Skulpturen von Ruth Tauchert Wenn die Götter melancholisch werden

Bonn · Bisher hat Ruth Tauchert stets Menschen in Aktion gezeichnet: Orchestermusiker, Schauspieler, Tänzer, Sportler. Und nun die Figuren im Akademischen Kunstmuseum? Diese Götter, Heroen und Athleten, deren Bewegungen von den antiken Bildhauern in Marmor oder in Bronze wie in Momentaufnahmen festgehalten und dann noch einmal rund 2000 Jahre danach in Gips gleichsam eingefroren wurden?

 Ruth Taucherts Zeichnung "Plutosknabe".

Ruth Taucherts Zeichnung "Plutosknabe".

Foto: Museum

Sie sind also statisch. Jetzt aber ist es die Künstlerin, die sich in Bewegung versetzt, die ihre stummen Modelle umschreitet, ja, wie sie sagt, "umtanzt" und in der Rundumschau ihr Wesen erfasst. Und so werden auch sie nun zum Leben erweckt. Jede der gewählten Ansichten zeigt eine neue, oft sogar unerwartete Perspektive. Da allen Zeichnungen in ihrer Ausstellung "Vergöttert" die "vorbildlichen" Gipsabgüsse beigesellt sind, kann sich der Betrachter auf das aufschlussreiche vergleichende Sehen einlassen.

Dabei trifft die Auswahl der Künstlerin keineswegs nur die Figuren, die weit in den Raum greifen wie der "Bogen spannende Eros" des Lysipp oder "Herakliskos", der kleine Schlangen würgende Herakles. Ruth Tauchert zeichnet auch diejenigen, die einfach ganz still dastehen. Der berühmten "Knidischen Aphrodite" von Praxiteles hat sie einen Philosophen zur Seite gestellt und somit, da er so viel kleiner ist als die spätklassische Schönheit, (vielleicht unfreiwillig) ein eher komisches Paar geschaffen.

Übrigens stellt die Göttin eines der wenigen weiblichen Modelle dar, denn offenbar hegt Ruth Tauchert eine Vorliebe für das so genannte starke Geschlecht. An den männlichen, zumeist muskulösen Körpern lässt sich ihr individueller Stil überzeugender "ausleben".

Mit nervösem, stets neu ansetzendem Strich, der so gar nichts mit der klassischen Umrisslinie gemein hat, markiert sie das Standmotiv und die Binnenformen. Zuweilen gleichen diese vibrierenden Strichführungen dem unscharfen Stil von Egon Schiele. Ruth Tauchert zeichnet mit schwarzer Tusche, und dies grundsätzlich an Ort und Stelle. Die polychromen Acryl-Effekte trägt sie dann im Atelier mit dem Spachtel auf. Damit spielt sie offenbar auf die ursprüngliche Farbigkeit antiker Skulpturen an.

Immer wieder suggeriert die Zeichnerin durch Verdoppelung oder Verdreifachung einer Figur Simultanbewegungen - etwa des "Plutosknaben" - auf ein und demselben Blatt. Und dann spielt Ruth Tauchert auch mit Motiv-Überblendungen, wenn etwa Fußstudien sich über die Gestalt des "Eros" schieben. Manche Figuren, zu denen der "Schaber" des Lysipp und der Silen "Marsyas" des Myron zählen, erscheinen als Torso, ohne das ihnen eigene Standmotiv, und dies - paradox - selbst bei einer erfundenen "Aufforderung zum Tanz".

Auch sonst richtet die Zeichnerin einen neuen Blick auf die alte Kunst, indem sie Zeitsprünge und ungewohnte Motivverknüpfungen wagt, Götter neben Athleten stellt - oder den Gestalten ein neues Gesicht verleiht. "Amor und Psyche" beispielsweise, dieses ewig junge Liebespaar, ist in ihren Augen merkwürdig gealtert. Manche Gesichter sind blicklos, andere schauen melancholisch. In jedem Fall tragen sie die Handschrift der Künstlerin zur Schau.

Akademisches Kunstmuseum Bonn bis 14. August; Di bis Fr 15 bis 17, So 11 bis 18 Uhr; Führungen So 11.15 Uhr; Katalog 10 Euro

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Zum Thema
Aus dem Ressort