Festival in der Harmonie Whisky- und Wodka-Klänge

Bonn · Phänomenaler Crossroads-Auftakt in der Endenicher Harmonie mit The Deaf und Fischer-Z unter Frontmann John Watts.

John Watts, Gründer, Frontmann und Seele von Fischer-Z

Foto: Thomas Kölsch

Explosivität trifft auf Abgeklärtheit, herrlich frischer Garage-Punk auf ins Singer-Songwritertum mäanderndes New Wave, vor allem aber ungebändigte Spielfreude auf etablierte Genialität. Was will man mehr? Fakt ist: Dieser erste Tag des aktuellen WDR Crossroads-Festivals in der Harmonie ist ein Fest für jeden Rockfan, auch wenn das Publikum die beiden Bands auf der Bühne aus ganz unterschiedlichen Gründen bejubelt und feiert – die eine für ihre Vergangenheit, die andere für ihre Zukunft.

Denn während Fischer-Z, eine Ikone der frühen 80er Jahre, vor allem mit ihren Klassikern punkten, brennt die bis dato eher unbekannte Formation The Deaf den Saal dermaßen genussvoll ab, dass die Frage nach der derzeit besten holländischen Liveband eine neue Antwort erhält.

Tatsächlich wirkt Fischer-Z mit Frontmann und Mastermind John Watts nach dem fulminanten Auftritt der Band aus Den Haag fast schon bieder und brav. Fair ist das nicht – zwar ist Watts' einst klare, auch mal dem Falsett zugeneigte Stimme inzwischen einem sonoren, angerauten Organ gewichen, das hervorragend zu der besagten Singer-Songwriter-Attitüde passt, doch rocken kann Fischer-Z deswegen nicht weniger gut.

"Bataillions of Strangers" und "Berlin" sorgen für Gänsehaut-Momente

Etwas gemächlicher vielleicht, entspannter, dafür aber mit einem exzellenten Gespür für guten Sound. Die großen Hits, zwischen denen sich unauffällig ein paar Titel des aktuellen Albums „This Is My Universe“ tummeln, haben nichts von ihrer Brillanz eingebüßt, haben mitunter sogar noch gewonnen, so wie ein gutes, in Eichenfässern gereiftes Destillat, das mit der Zeit eine besondere Note erhalten hat. „Battalions of Strangers“ oder „Berlin“ gehören dazu und sorgen für Gänsehaut-Momente, die Ballade „Marliese“ derweil für frenetischen Jubel – nur „Red Skies Over Paradise“ fehlt aus unerfindlichen Gründen. Irritierend sind lediglich die obskuren Pointen, die Steve Watts in seine Moderationen einbaut.

Wenn Fischer-Z das musikalische Äquivalent zum Whisky ist, kann The Deaf nur mit Wodka verglichen werden. Starkes Zeug, das direkt ins Blut geht und in den Adern brennt. Die Holländer geben von der ersten Sekunde an Vollgas und verwandeln die Harmonie in ein Tollhaus ohne Wärter, dafür aber mit einem charismatischen Irren als Anführer. Sänger und Gitarrist Frans van Zoest ist auf Party aus und zieht mit verrückten Sprüchen und gnadenlos gutem Rock jeden in seinen Bann.

Mal mit Einflüssen aus dem Garage-Rock der 60er Jahre, dann wieder mit feinen Indie-Balladen („Coming Down That Road“) oder schamanistisch pulsierenden Werken („Soul Trapper“) bewaffnet, sorgen er und die bezaubernde Bassistin Janneke Nijhuijs für starken Harmoniegesang und krachende Saiten-Arbeit, während sich hinter ihnen Kit Verdijk die Seele aus dem Leib trommelt und Keyboarder Maurizio Pinna, sofern er sich nicht in Bocksprüngen übt, sein Instrument so stark wackeln lässt, das es beinahe einen Fotografen erschlägt. Für einen guten Live-Gig nimmt man dies eben in Kauf. Und den haben The Deaf definitiv abgeliefert.