Wie das Gesicht zur Landschaft wird

Der Bonner Universitätsclub zeigt Porträts von Ernst Günter Hansing, bei Bouvier präsentieren sich Heike Kallenberg sowie Peter Dopotka, und im Atelier der Uni wird das Stillleben analysiert

  Ernst Günter Hansings  meisterhaftes Porträt von Konrad Ademauer aus dem Jahr 1963 im Universitätsclub.

Ernst Günter Hansings meisterhaftes Porträt von Konrad Ademauer aus dem Jahr 1963 im Universitätsclub.

Foto: Franz Fischer

Bonn. Man mag es kaum glauben, dass Hans Günter Hansing als Maler letztlich Autodidakt ist. Er hatte bereits das Goldschmiedehandwerk gelernt, ehe er zu Pinsel und Stift griff, um sich noch in der Nachkriegszeit, wie er bekannte, die "Nöte (das waren seine traumatischen Erfahrungen des Jahres 1945) von der Seele" zu malen. Mehr geschult als geprägt hat den Stipendiaten in Paris dann der bewunderte Fernand Léger. Er hat den expressiven Stil des jungen Hansing "gezähmt". Dem wiederum ist es anzurechnen, dass er nicht Légers kurvigen "Röhrenstil" übernommen, vielmehr seine eigenen splittrigen Farbblitze weiter entwickelt hat. Dass er ihnen über ein halbes Jahrhundert treu geblieben ist, belegt seine ganz auf Porträts konzentrierte Ausstellung "Ernst Günter Hansing - Gemälde, Zeichnungen, Grafiken" im Universitätsclub Bonn.

Da sehr viele seiner Modelle Prominente - Politiker, geistliche Würdenträger, Künstler - sind, kann man überprüfen, wie treffsicher Hansing seinen Stil einsetzt. Das greise Gesicht Marc Chagalls etwa, seines großen Malerkollegen, hat er in scharfen Zügen skizziert. Er hat ihn mit stechenden Augen gleichsam vogelgesichtig charakterisiert. Insbesondere an den in verschiedenen Farben variierten Chagall-Bildnissen des Jahres 1985 hat der Maler seine Kunst des Weglassens unter Beweis gestellt; sie hat er auch fünf Jahre danach an einem Porträt der Violinistin Anne-Sophie Mutter praktiziert.

In einem zweiten Bild dagegen hat er sie in ein furiose Klangwirbel suggerierendes Liniengeflecht eingebunden. Beide Male aber hat Hansing der Künstlerin ihre - das Alter geradezu vorwegnehmende - kräftezehrende Anstrengung ins Gesicht geschrieben.

Ganz offensichtlich hat es Hansing immer gelegen, das Wesen des alten Menschen zu fassen, seine Weisheit oder Abgeklärtheit, seine Güte oder Melancholie, wie sie Mutter Theresa und Heinrich Lützeler vortragen, ins Bild zu setzen. Dabei hat er seinen Blick auf die zerfurchten Gesichtslandschaften fokussiert, hat häufig - wie bei Konrad Adenauer oder Helmut Kohl - das rahmende Haupthaar, selbst die Schädelkonturen ausgespart. Die Annäherung an die Modelle geschah stets behutsam. So erweisen sich die Bilder als die Summe der gesehenen und intuitiv erfahrenen Eindrücke.

In besonderer Eindringlichkeit ist dem Künstler die Seriegrafie "Paul VI., auf dem Totenbett" gelungen. Vergeistigung im Tode und Auflösung der Körperlichkeit, dargestellt mit sparsamsten Mitteln, prägen das Bildnis, das den Betrachter in respektvolle Distanz zwingt.

Universitätsclub Bonn; bis 20. Juli. Mo-Fr 8.30-17.30 Uhr.

Heike Kallenberg zeigt den Kölner Dom aus der Froschperspektive ab Fassadenmitte mit sich gen Himmel verjüngenden Türmen. Der Blickwinkel ist mit dem von der Domplattform vergleichbar. Der Bildausschnitt erinnert an Monets Serie zur Kathedrale von Rouen bei sehr viel expressiverem Farbauftrag.

Die "Erleuchtung" (so heißt das Bild) resultiert vor allem aus dem Kontrast des sich in grüntönen erhebenden Sakralbaus vor einem orange und rot flammenden Himmel. Komplementärfarben sind das Thema der Acrylbilder Kallenbergs. Mit denen nähert sie sich dem Kölner Wahrzeichen genauso wie Blumen- und Landschaftsmotiven - stuft die Farben aber stets ab. Peter Dopatka, der zweite Künstler in der Ausstellung, pfeift auf Nuancen. Mit Umrandungslinien und opakem Farbauftrag holt er seine munteren Szenen in die Fläche zurück.

Dopotka lässt langschnäblige Vögel Kuchen kosten und verschmilzt Autos mit Gesichtern: Reifen werden zu Augen über einem knallroten Riesenmund. Sehr poppig, das Ganze. In ihrer Schlichtheit und Fröhlichkeit erinnern Dopatkas Bilder an Keith Harings Figuren und ihre vordergründige Message: Das Leben ist schön.

"Sequenzen" von Heike Kallenberg und Peter Dopotka, zu sehen bis zum 22. Juni in der Galerie der Buchhandlung Bouvier.

Verglimmender Kerzenschein, welkende Blütenpracht, angeknabberte Äpfel, Knochengebein und Staubbeläge zählen zu den Vergänglichkeitsmotiven des Stilllebens. Wie sich diese malerische Gattung entwickelt, ihre Hochblüte und Ableger entfaltet, das ergründet eine lebendige, von Künstlerin Lisa Bille initiierte "kunsthistorische Entdeckungsreise". Das sehenswerte Bilderensemble von rund fünfzig Papierarbeiten (Kreide-, Rohfederzeichnung, Aquarell) stammt von insgesamt dreizehn Kursteilnehmern (Altersspanne 20 bis 85 Jahre), die sich im Rahmen des Studium universale ein Jahr lang mit dem Thema "Stillleben" (Ausstellungsmotto) auseinandergesetzt haben.

Inspirationsquelle bilden zunächst Kräuterbücher, die im fortgeschrittenen Stadium abgelöst werden durch einfallsreiche Arrangements von Seminarleiterin Lisa Bille (bekannt etwa durch ihre meterhohen Holzschnitte). Den Beginn bestreiten zarte Porträts von Krautpflanzen, wie etwa Taubnessel. Diskurse zur aus den Niederlanden kommenden "Tulpomanie" machen ein stilistisches Gefälle sichtbar, das von "vorsichtig, akribisch" bis "wild, temperament- und fantasievoll" (Bille) reicht.

Neben üppigen Blumenbouquets und fantasiereichen Szenerien ("Aschenputtel", "Jagstillleben" oder "Tod in einem Hutladen") beschert die Schau eine Reihe von Experimenten mit vergilbtem Packpapier und verschlissenen Stofffetzen.

Atelier für Bildende Kunst der Universität Bonn, Am Hof 7; bis 13. Oktober. Mo-Do 10-13 Uhr, Di-Do 17-20 Uhr.

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