40 Jahre Le Clou Wie ein Stein, der rollt

BONN · Drei französische Musiker bestimmten 1976 Bonn zu ihrer Heimatstadt. Heute gehört die Band Le Clou europaweit zu den wichtigsten Vertretern der Cajun-Musik. Das Jubiläum feiern die Musiker mit einem neuen Album und einem ganz besonderen Konzert.

 Le Clou: 40 Jahre mit Cajun auf Tour

Le Clou: 40 Jahre mit Cajun auf Tour

Foto: Le Clou

GA: Sie sind noch etwas außer Atem. Sport?

Johannes Epremian: Ja, ich bin gerade einen Halbmarathon gelaufen.

GA: Einen Halbmarathon? An einem bitterkalten Dienstag im November?

Epremian: Mehr noch, 23 Kilometer. Aber es war kein Wettkampf. Echte Marathons laufe ich zweimal im Jahr – in Bonn und Köln.

GA: Braucht man das als Ausgleich zum Tourneeleben?

Epremian: Nein. Ich habe keinen besonderen Grund, ich laufe einfach gern. 40, 50 Kilometer die Woche. Wirklich nur aus Spaß, ohne falschen Ehrgeiz.

GA: Ihre Band bevorzugt ebenfalls die Langstrecke. 40 Jahre Le Clou. Sind Sie die Rolling Stones des Cajun? Der Titel des neuen Albums lässt jedenfalls darauf schließen: „Pierre qui roule“.

Epremian: Ja – der Stein, der rollt. Aber das ist reiner Zufall. Der Titel kommt aus einer anderen Ecke. Es gibt ein Sprichwort in Frankreich: „Pierre qui roule n’amasse pas mousse“. Ein Stein, der rollt, setzt kein Moos an.

GA: Das passt zu den Stones, oder?

Epremian: Wir wollen uns nicht mit den Rolling Stones vergleichen, obwohl wir, wie sie, auch eine neue Platte am Start haben.

GA: War denn Le Clou bei der Gründung 1976 als langfristiges Projekt angelegt?

Epremian: Im Gegenteil, es hat sich einfach so ergeben. Ich bin zwar erst seit 1982 Mitglied, aber: Wenn du jemandem in diesen jungen Jahren fragst, wie er sich den Rest seines Lebens vorstellt, erhältst du kaum eine verbindliche Antwort. Man hat keinen großen Einfluss auf den Lauf der Dinge. Die Macht der Zufälle ist nicht zu unterschätzen.

GA: Einer dieser Zufälle ist Bonn als feste Adresse der Band. Wie kam es dazu?

Epremian: Die drei Gründungsmitglieder kannten sich aus der französischen Musikszene, waren aber verstreut in Toulouse, Stockholm und Berlin. Sie wollten ein Projekt mit Cajun-Musik starten und suchten die ideale geografische Basis dafür. Dabei fiel die Wahl auf Bonn. Das lief alles ziemlich hippiemäßig ab.

GA: Was heißt „hippiemäßig“?

Epremian: Von Bonn aus ging es auf Tournee. Le Clou begann mit Straßenmusik, danach zog man durch die Clubs. Die Möglichkeiten für Auftritte waren unendlich viel größer als heute. Überall sprossen Clubs und Festivals aus dem Boden. Diese Art der Lebensführung, einfach Hippie sein, war seinerzeit Mainstream. Man bewegte sich in einem Milieu ohne Leistungsgedanken.

GA: Wie hoch war die Konzertfrequenz?

Epremian: 150 Konzerte im Jahr. Heute sind es 80, was auch wirtschaftliche Hintergründe hat. Wir sind alle um die 60, haben Familie. Wenn wir eine Tour starten, müssen wir unseren Familien erklären, warum.

GA: Ernährt das Projekt Le Clou fünf Familien?

Epremian: Ja. Wir haben 13 Alben veröffentlicht, davon schätzungsweise 120 000 Exemplare verkauft. Und wir werden oft im Radio gespielt, obwohl die meisten Sender extrem durchformatiert sind. Wir kommen auf 400 Sendeminuten im Jahr.

GA: Le Clou spielt Cajun. Was reizt Sie an der traditionellen Musik der französischen Auswanderer in Louisiana?

Epremian: Interessant sind nicht zuletzt die historischen Hintergründe. Die Franzosen sind unter Ludwig XIV. zunächst nach Kanada ausgewandert, dort haben sie sich mit den Engländern überworfen. 80 Familien landeten in Louisiana, wo ihre Kultur auf fruchtbaren Boden fiel. In New Orleans gab es wohlhabende kreolische Franzosen. So konnte sich diese Musik entwickeln, auch durch andere Einwanderer. Die Deutschen brachten das Akkordeon mit, die Franzosen die Geige, die Kreolen diverse Rhythmusinstrumente.

GA: Cajun erlebte in den Achtzigern einen Boom durch den Kinohit „The Big Easy“. Wie haben Sie den Film wahrgenommen?

Epremian: Ich habe ihn mehrmals gesehen, finde ihn sehr gut. Viele Leute sprechen uns immer noch auf den Film an. Jim McBride, der Regisseur, hat ja auch einige Pioniere des Cajun eingesetzt. Dieser alte Mann, der auf der Veranda spielt, ist der berühmte Geiger Dewey Balfa, der bereits in den siebziger Jahren ein Revival von Folk und Cajun ausgelöst hat. Ich hatte die Ehre, mit ihm zu musizieren.

GA: Hatten Sie noch weitere Kontakte mit bekannten Musikern?

Epremian: Ja, ich bin bereits mit 22 Jahren nach Louisiana gefahren, habe ohne jede Verabredung bei dem berühmten Geiger und späteren Grammy-Gewinner Michael Doucet an der Tür geklingelt.

GA: Und?

Epremian: Er hat geöffnet. Ich habe gesagt: Ich komme aus Europa und möchte so Geige spielen wie du, kannst du mir helfen?

GA: Konnte er helfen?

Epremian: Er hat mich reingebeten, seine kleine Tochter im Elternzimmer untergebracht und mich im Kinderzimmer. Er hat mich mit namhaften Cajun-Musikern bekannt gemacht.

GA: Le Clou singt Französisch. Warum kein Cajun?

Epremian: Ein heikles Thema. Ich käme mir dabei vor wie ein Japaner, der jodelt. Es gibt schwedische Bands, die in diesem Akzent singen. Sehr problematisch.

GA: Cajun-Musik besitzt eine gewisse Lässigkeit, durchsetzt mit einer Spur Melancholie. Wie definieren Sie diesen Stil?

Epremian: Genau diese Brechung hat mich immer fasziniert. Du spielst eine fröhliche Melodie, doch der Text handelt vom Tod. Bei aller Trauer lässt sich im Cajun stets auch Freude entdecken.

GA: Sind die 13 neuen Songs alles eigene Kreationen?

Epremian: Fast. Nur „Bosco Stomp“ und „Acadian Two Step“ sind traditionelle Lieder aus Louisiana. Der Rest stammt aus unserer Feder. Wir erzählen Geschichten über Louisiana und das dortige Lebensgefühl.

GA: Zum Beispiel?

Epremian: Ein Stück handelt von Piraten im 19. Jahrhundert. Die Küstenlinie ist ziemlich aufgebrochen, jedes kleine Schiff kann bis ins Landesinnere vordringen, da wurde viel geschmuggelt.

GA: Beim Jubiläumskonzert in der Harmonie spielt die französische Akkordeonistin Lydie Auvray mit. Wie kommt’s?

Epremian: Sie ist eine alte Freundin aus Hippie-Zeiten, als man für 300 Mark in Kneipen spielte. Wir hatten Schlafsäcke im Auto, haben in WGs übernachtet. Lydie ist eine Schwester im Geiste und Teil der französischen Gemeinschaft in Deutschland.

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