Wie Tausendfüßler auf der Tastatur

Auftakt des "Jazz-Sommers" im Kammermusiksaal des Beethoven- Hauses Bonn

Wie Tausendfüßler auf der Tastatur
Foto: Milan Sveboda

Bonn. Nach dem Konzert wandte sich Milan Svoboda dem Flügel im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses zu und machte eine entschuldigende Handbewegung. "Nimm's nicht so schwer", schien er dem Instrument zuzurufen.

Schließlich erlebt es ein Flügel nicht alle Tage, dass Tischtennisbälle auf seinen Saiten umherrollen. Das klingt ähnlich wie ein Fingerglissando auf den Saiten, sieht aber natürlich besser aus. Zumal der tschechische Jazz-Pianist ziemliches Geschick darin bewies, die Bälle durch die Wahl der richtigen Taste effektvoll in die Höhe hopsen zu lassen.

Die Botschaft dieser verschmitzten Blödelei? Vielleicht die, das "Spiel" beim Klavierspielen, beim Musizieren insgesamt, nicht zu vernachlässigen. Das Konzert des Tschechen, das den Auftakt zur fünfteiligen Reihe des "Jazz-Sommers" im Beethoven-Haus markierte, war für diese Haltung ein eindrucksvoller Beleg.

Den Mann, der seinen Auftritt mit schwarzem Hut absolvierte, durchströmte eine mitreißende Vitalität. Er bot ausschließlich Eigenkompositionen, die ein stilistisches Spektrum zwischen melodiöser Seelenmusik bis zu vulkanischen Klangexzessen abdeckten.

Da gab es Improvisationen über einfache Harmoniemodelle, in denen sich ein fiktives Ich mal im Parlando, mal weitschweifig auszusprechen schien, daneben aber auch Stücke, in denen Svoboda rhythmische und klangliche Energien direkt entfesselte.

Da spritzten Cluster in extremen Lagen, polterten kantige Ostinati, krochen chromatische Figuren wie Tausendfüßler über die Tastatur. Grandiosen Höhepunkt bildete eine Art chromatische Fantasie, in der man ein lebendig gewordenes Player-Piano zu hören glaubte.

Schließlich spielte Svoboda noch Variationen über ein selbst geschriebenes Lied, dabei auch besagte Tischtennisballnummer. Mit Beethovens Diabelli-Variationen, so der Künstler, wolle er sich aber nicht messen.

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