"Wildschütz"-Inszenierung feiert in Bonn Premiere

Ein kleines Foto der 1993er Bonner Inszenierung von Albert Lortzings Spieloper "Der Wildschütz" reicht Dietrich Hilsdorf aus, um zu sehen, wie man's nicht machen sollte.

 Dietrich Hilsdorf in den Kulissen seiner "Wildschütz"-Inszenierung.

Dietrich Hilsdorf in den Kulissen seiner "Wildschütz"-Inszenierung.

Foto: Thilo Beu

Bonn. Ein kleines Foto der 1993er Bonner Inszenierung von Albert Lortzings Spieloper "Der Wildschütz" reicht Dietrich Hilsdorf aus, um zu sehen, wie man's nicht machen sollte.

Da sitzen der Schulmeister Baculus und sein Gretchen auf einem weißen Bettchen, dessen Konturen offensichtlich auf die behänden Bleistiftstriche eines Karikaturisten zurückzuführen sind. Die goldblonde Perücke des grellbunt herausgeputzten Gretchens verrät unmissverständlich die humoristischen Ambitionen der Produktion.

Termin Am Donnerstag, 5. Mai, 16 Uhr, gibt's einen "Kaffeeklatsch mit Hilsdorf", Pausenbuffet der Oper, Eintritt frei.Der deutschen Spieloper, deren bedeutendster Vertreter Albert Lortzing (1802-1851) war, haftet nicht zuletzt wegen solcher Inszenierungen noch immer der Ruch naiv-harmloser Biedermeier-Unterhaltung an. Deshalb finden Stücke wie der "Wildschütz" bei den Intendanten weit weniger Anerkennung als etwa die Buffo-Opern eines Gioacchino Rossini.

Hilsdorf musste schon einiges an Überzeugungsarbeit leisten, den "Wildschütz" auf die Bühne zu bringen. "Ich habe das Stück auf eigenen Wunsch gemacht", betont der Regisseur. Premiere war im vergangenen Jahr in Chemnitz, in Bonn ist es ab Sonntag zu sehen. Auch die Verantwortlichen der Wiener Volksoper hat Hilsdorfs Herangehensweise überzeugt.

"Wenn Sie unser Stück sehen, werden Sie es nicht wiedererkennen", prophezeit Hilsdorf im Gespräch. "Es wird sehr ernsthaft." Allzu traurig soll 's aber nicht werden. "Denn echte Komik entsteht ja erst durch den Ernst", sagt Hilsdorf und beruft sich unter anderem auf William Shakespeares Komödien als Referenz.

In der auf August von Kotzebues "Der Rehbock oder Die schuldlos Schuldbewussten" zurückgehenden Wildschütz-Geschichte geht es um den Schulmeister Baculus, dem wegen eines Wilderei-Delikts vom Adel die Zustimmung verweigert wird, seine Verlobte Gretchen zu heiraten. In der Folge gibt es zahlreiche zwischenmenschliche Verwerfungen, unter anderem verursacht durch einen zweifelhaften Handel zwischen Baculus und dem Baron Kronthal.

Letzterer bietet dem Lehrer 5 000 Taler für das Gretchen. Der filmversierte Hilsdorf assoziiert in dieser Szene gleich den Kinohit "Ein unmoralisches Angebot" mit Robert Redford, der darin sozusagen einen modernen Kronthal spielt. Der Filmtitel ersetzt im Bonner Wildschütz übrigens Lortzings originalen Untertitel "Die Stimme der Natur".

In der Inszenierung wird es ziemlich realistisch zugehen. Da erscheint es Hilsdorf auch nicht als Widerspruch, wenn er die Handlung im Jahr der Uraufführung 1842 ansiedelt, sein Ausstatter Dieter Richter aber eine Bühne erschaffen hat, die eher in der Zeit um 1900 zu verorten ist, wie man etwa an dem Klassenzimmer zu Beginn sehen wird.

Auch für Richters Entwurf hat ein Film Pate gestanden: Michael Hanekes "Das weiße Band". Die Bühne muss seiner Meinung nach nicht das wiederholen, was die Handlung zeigt. Aber sie sollte für seinen Zweck realistisch sein. Für Hilsdorf ist es wichtig, dass in der Ausstattung jedes Detail stimmt, dass etwa zu einer Jagdgesellschaft auch Hunde gehören - in Bonn kommen hier Windhunde zum Einsatz.

Das gilt selbst auch für die Kostüme des Chores, der bei Hilsdorf nie gesichtslose Masse ist, sondern immer eine Ansammlung von Individuen. Jeder Mensch hat seine Geschichte, die zum Teil auch durch Renate Schmitzers Kostüme erzählt wird. "Woran erkennt man einen Witwer? Er trägt eine Jacke, an der sich kein Knopf mehr befindet, die nur noch von Schnüren zusammengehalten wird."

Der Wildschütz werde auch musikalisch völlig unterschätzt, meint Hilsdorf. Freilich müsse mit der richtigen Leidenschaft gespielt werden: "Die Musik muss swingen", sagt er. In Bonn wird bei der Premiere Robin Engelen am Pult des Beethoven Orchesters stehen. "Mit ihm habe ich mich auf Anhieb angefreundet." Die Sänger kennt er trotz seiner dreijährigen Bonn-Pause ziemlich gut.

Zum Beispiel Julia Kamenik (Baronin Freimann), mit der er schon sehr häufig zusammengearbeitet hat. Aber auch der Tenor Mirko Roschkowski (Baron Kronthal), der Bariton Giorgos Kanaris (Graf von Eberbach) und Anjara I. Bartz (Gräfin) sind für ihn gute Gründe, gern in Bonn zu arbeiten.

In der kommenden Saison ist Hilsdorf wieder mit einer originalen Produktion in Bonn zu Gast: mit Verdis "Troubadour", während er im benachbarten Köln einen für ihn eher ungewohnten Ausflug ins Wagner-Fach machen und den "Holländer" inszenieren wird.

Premiere am Sonntag, 18 Uhr, in der Oper Bonn. Karten unter anderem in den GA-Zweigstellen, bei bonnticket.de oder unter der Hotline (02 28) 50 20 10.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCamp Neue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Aus dem Ressort