Willkommen in Europa!

Die 35. Spielzeit des Bonner Euro Theater Central ist eine Entdeckungsreise

  Johannes Paul II.  hat als junger Mann das Stück "Der Laden des Goldschmieds" geschrieben. Es steht auf dem Spielplan des Euro Theaters.

Johannes Paul II. hat als junger Mann das Stück "Der Laden des Goldschmieds" geschrieben. Es steht auf dem Spielplan des Euro Theaters.

Foto: dpa

Bonn. Polen, Tschechien und Ungarn, seit dem 1. Mai Mitglieder der Europäischen Union, heißt das Euro Theater Central in der nächsten Saison auf seiner Bühne willkommen. Intendantin Gisela Pflugradt-Marteau und Hausregisseur Peter Tömöry lenken den Blick nach Osten auf drei Kernländer der europäischen Kultur.

Tömöry, selbst in Ungarn und Rumänien zu Hause, hat bei der Vorstellung des neuen Spielplans auf die enge Verbindung von Politik und Literatur in diesen Ländern verwiesen, in denen das Theater Jahrzehnte lang als kritische Tribüne fungierte und engagierte Dramatiker schon früh auf der politischen Bühne mitspielten.

Die literarisch-politische Entdeckungsreise beginnt am 16. September mit der deutschen Erstaufführung des Stückes "Der Laden des Goldschmieds", in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts geschrieben von keinem Geringeren als dem amtierenden Papst Johannes Paul II. Es beleuchtet Ehe und Liebe mit viel Humor und menschlicher Anteilnahme aus dem Geist des Christentums.

Peter Tömöry übernimmt die Regie bei diesem Ereignis, das bereits jetzt für Aufsehen über die deutschen Grenzen hinweg sorgt. Die polnische Botschaft in Berlin hat schon die Förderung von Gastspielen zugesagt.

Im Februar 2005 folgt "Die Versuchung" von Václav Havel, dem intellektuellen Wegbereiter des Prager Frühlings und Mitbegründer der Bürgerrechtsbewegung "Charta 77", der jahrelang zu den berühmtesten politischen Häftlingen des Ostens gehörte und ab 1993 zehn Jahre lang als Staatspräsident die europäische Metropole Prag zur Welt hin öffnete.

Seine 1986 in Wien uraufgeführte, kritisch aktuelle "Faust"-Version aus Tschechien inszeniert der junge rumänisch-ungarische Regisseur István K. Szabó.

Auch in Ungarn wurde nach der Wende ein verfemter Dichter zum Staatspräsidenten gewählt. Irpád Göncz, der während des Volksaufstandes 1956 zu lebenslänglicher Haft verurteilt und 1963 amnestiert wurde, machte sich als sprachlich virtuoser Übersetzer einen Namen und war von 1990 bis 2000 der populäre Repräsentant eines demokratischen Ungarn.

Sein 1985 geschriebenes, autobiografisch geprägtes Zweipersonenstück "Bilanz" inszeniert Alexander de Montléart als deutsche Erstaufführung. Die Premiere ist für April geplant.

So viel mutiger Einsatz für unbekannte widerständige Texte aus dem neuen alten Europa sorgt für internationales Echo, mit dem ausgerechnet Bonns kleinstes Theater die Bundesstadt ins Gespräch bringt. Der in Köln residierende polnische Konsul Wojciech Jakubowski, Attila Király, Leiter der Außenstelle Bonn der ungarischen Botschaft, und der Autor, Journalist und Polenspezialist Klaus Skibowski haben bei der Pressekonferenz zum Projekt "Willkommen in Europa!" ihre vehemente Unterstützung - auch für begleitende Lesungen und Kunstausstellungen - zugesagt.

Über die europäischen Grenzen hinaus weit nach Osten schaut man außerdem: Ende Oktober erlebt dort ein Stück aus Pakistan seine deutsche Erstaufführung. Das Euro Theater pflegt seit mehreren Jahren eine enge Beziehung zu dieser schwierigen Nation. und trotzt bewusst all ihren mühsamen politischen Verwicklungen.

Der Autor Rafi Peer hat in den 20er Jahren in Berlin gelebt und bei Max Reinhardt gelernt. Später hat er in Pakistan einen Radiosender aufgebaut und ein renommiertes internationales Theaterfestival ins Leben gerufen. Peter Tömöry inszeniert sein raffiniertes asiatisches "Liebesgeflüster" auf deutsch und auf englisch.

Die Reise dieser ungewöhnlichen neuen Produktion zum fernen Subkontinent ist im Spätherbst geplant, braucht aber noch finanzielle Hilfestellungen. So viel östliche Orientierung bedarf einer heiteren Korrektur durch eine "French Connection" und bekommt sie auch mit zwei Einaktern von Georges Feydeau.

Ab Dezember flaniert das Euro Theater mit "Liebe und Klavier" und "Der Rohdiamant" auf dem Pariser Boulevard. Wer kennt sich da besser aus als der hinreißende Travestiestar Daniel Sander, der den skurrilen Spaß inszeniert: Oh Lala! - absolut kultverdächtig.

Selbstverständlich bleiben die Renner der letzten Saison - wie zum Beispiel "Die Glut" von Sándor Márai oder "Das Dekameron" von Giovanni Boccaccio - auf dem Programm. Zu befürchten ist: 2004/05 muss man sich langfristig um die wenigen Plätze in diesem Theater bemühen.

Informationen unter www.eurotheater.de; Karten können unter der Telefonnummer (02 28) 65 29 51 bestellt werden.

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